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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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Provinz, die flach und ruhig war, ohne Berge und ohne Freischärler. Alle außer Martínez, bis sie ihn töteten. Alle außer Sanchís.
    Er hatte schwarzes Haar, grüne Augen, einen durchtrainierten Körper und braungebrannte Haut. Sein Profil erinnerte an eine griechische Statue, aber er ging so sehr in seiner Arbeit auf, dass sie ihn verunstaltet hatte. Es lag an seinem Mund, an der Art, wie er mechanisch die schön geschwungenen Lippen anspannte und dann fest zusammenpresste, um seine grenzenlose Verachtung für die Welt auszudrücken. Sanchís hatte vor nichts Respekt, und nichts machte ihm Angst, aber er genoss es, von anderen gefürchtet zu werden, und er wusste, wie er sie dazu brachte, ihn zu fürchten. »Was würde wohl passieren, wenn ich jetzt einfach ginge, ohne zu zahlen?«, fragte er in den Bars, bis man ihn schließlich immer einlud. Er hielt irgendwen einfach auf der Straße an und schickte ihn Tabak kaufen, als wären die Dorfbewohner seine Bediensteten. Oder er zeigte mit dem Finger auf jemanden, als wollte er ihn grundlos warnen, du da, pass bloß auf … Wenn der andere sich eilig davonmachte, lachte er, doch auch sein Lachen war unangenehm, fett und schleimig wie das einer Kröte. Den anderen in der Guardia Civil blieb nichts anderes übrig, als ihn zu respektieren, denn er war Feldwebel, aber der Leutnant ließ ihn nicht aus den Augen, weil er ständig befürchtete, er könnte übers Ziel hinausschießen. Forsch, aber nicht zu forsch, sagte er immer, und Sanchís quittierte den Ratschlag mit einem Nicken, doch kaum hatte sein Vorgesetzter ihm den Rücken zugedreht, kehrte er zu seiner alten Masche zurück, du da, hol mir ein Bierchen, du da, putz mir die Schuhe, du da, komm auf der Stelle her, wenn du weißt, was gut für dich ist … Miguel Sanchís hatte nur eine Schwäche, Pastora, die genauso ausgefallen und seltsam war wie er selbst.
    »Sie sieht wirklich verdammt gut aus«, sagte Vater manchmal, wenn er sah, wie sie den Hof durchquerte, und Mutter wurde so nervös, dass sie ihm erbost auf den Arm klopfte.
    »Wie kannst du nur so einen Unsinn reden, Antonino! Sie hinkt doch, siehst du das nicht?«
    »Na und?«
    »Was soll das heißen, na und? Ein Bein ist länger als das andere. Ist das etwa kein Makel?«
    »Schon möglich, trotzdem sieht sie verdammt gut aus.«
    Pastora hatte kein hübsches Gesicht, trotz der wunderbar großen schwarzen Augen, die leuchteten wie das stille Wasser eines tiefen Brunnens. Ihre feine Nase war zu lang, der Mund zu groß, und die Lippen waren zu schmal. Das dunkle, glatte Haar, das sie stets zu einem Knoten im Nacken geschlungen hatte, umschloss ein spitzes Gesicht mit eingefallenen Wangen und hervortretenden Backenknochen, die ihr eine geheimnisvolle Schönheit verliehen, wenn sie den Kopf halb zur Seite wandte. Doch die Anziehung, der kein Mann in Fuensanta widerstehen konnte, wenn sie an ihm vorbeikam, ging nicht von ihrem Gesicht, sondern vom Körper aus. Er war ebenfalls nicht vollkommen, da hatte Mutter recht, doch das besagte nicht viel.
    Sanchís’ Frau hatte fabelhafte Beine, obwohl eins länger war als das andere. Möglich, dass ihre Maße für den Geschmack eines Bildhauers etwas zu asymmetrisch ausgefallen waren, die Brüste zu groß, die Taille zu schmal, die Hüften zu rund, der Hintern zu muskulös, weil sie das rechte Bein ständig nachziehen musste. Dieser Fuß steckte immer im selben hässlichen schwarzen Schuh mit Einlage, um ihn dem Bastschuh anzupassen, den sie im Alltag am anderen Fuß trug, oder dem hochhackigen Schuh, den sie anzog, wenn sie sich zurechtmachte. Trotzdem hatte sie etwas, was keine andere Frau in Fuensanta de Martos besaß, nicht einmal Filo oder Milagros, die Tochter des Bürgermeisters, so hübsch sie auch sein mochten.
    Mit neun Jahren war ich noch zu jung, um es erklären zu können, doch mir war bewusst, dass man Filo und Milagros wie ein Gemälde betrachten konnte, oder so, wie man Musik hört, sich ein Bonbon auf der Zunge zergehen lässt, ein unvergleichliches, köstliches, aber absolut harmloses Vergnügen. Das war bei Pastora anders, und das verstand Mutter nicht. Pastora durchquerte den Hof mit diesem wiegenden Gang, weil sie nicht anders konnte, und ich sah ihr nach, weil auch ich nicht anders konnte. Dann wurde mir heiß, und ich errötete schuldbewusst und beschämt, als wäre es eine Sünde, sie zu betrachten. Mir war auch bewusst, dass sie selbst nichts dazu tat, um diese Reaktion zu provozieren. Weder

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