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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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Sternen übersät. In ihrem Licht hatte der Portugiese keine Mühe, sich zu orientieren. Er war ohnehin ein Mann der Berge und brauchte keine Pfade, um sicher voranzukommen. Er führte sie sehr schnell, ohne zu stolpern, zu stürzen oder sonstige Geräusche, die sie hätten verraten können, zu einer Stelle, wo sie die Umrisse zweier bewaffneter Männer sehen konnten, die auf dem Boden kauerten. Die Guardia-Civil-Männer gingen in Stellung, legten die Waffen an und konzentrierten sich auf ihr Ziel, und just in diesem Augenblick, als hätte er sie gerochen oder mit irgendeinem animalischen Instinkt ihre Anwesenheit erspürt, stand einer der Männer mit dem Gewehr im Anschlag auf, ohne recht zu wissen, in welche Richtung er blicken, wohin er zielen oder wovor er sich verteidigen musste.
    Dann ging alles sehr schnell, schwer zu verstehen, so wie sich die Luft verdichtet, wenn es beginnt, nach Tod zu riechen. Der Leutnant rief ihnen »Hände hoch!« zu, dann hörte man einen Schuss, der ihn nur knapp verfehlte. Woraufhin Sanchís, der mit Carmona um den Titel des besten Schützen in der Kaserne von Fuensanta wetteiferte, den Mann, der aufgestanden war, mit einem gezielten Kopfschuss erledigte. Michelin wollte gerade vermerken, dass er ihm das Leben gerettet hatte, doch genau in dem Moment, als er sich umdrehte und die beiden Worte aussprach, danke, Miguel, riskierte er schon wieder sein Leben, denn zwei weitere aufeinanderfolgende Schüsse peitschten durch die Luft. Der Feldwebel feuerte erneut, und dann sackte auch der zweite Mann mit leeren, erhobenen Händen am Kopf getroffen zusammen. Danach war Stille.
    Erst nach mehreren Sekunden, als der Sauerstoff wieder in ihre Lungen strömte, das Blut in ihren Adern sich verlangsamte und sie in ihren leeren Köpfen nicht mehr ihren eigenen Herzschlag hörten, verstanden sie, was sie gesehen, getan und erlebt hatten. Romero sprach es als erster laut aus, da oben ist mindestens noch ein weiterer Schütze. Jene, die es noch nicht begriffen hatten, sahen in diesem Augenblick ein, dass Paquitos Vater recht hatte, rührten sich aber nicht von der Stelle. Der erste Tote konnte tatsächlich auf den Leutnant gefeuert haben, der zweite aber war mit erhobenen Händen zusammengesackt, und das bedeutete, dass noch jemand weiter oben war. In einer Stellung, von der aus er sie leicht ins Visier nehmen konnte.
    »Was ist los?« Der Portugiese war sehr nervös, doch niemand hatte Zeit für Erklärungen. »Was ist passiert?«, wollte er wissen. »Warum stehen wir hier herum?« »Halt endlich die Schnauze!«, rief der Leutnant, und kurz darauf hörten sie ein leises Geräusch in der Ferne, wie das Herabrieseln von kleinen Steinen, die von den Füßen eines Menschen losgetreten wurden, vielleicht auch eines Kaninchens oder Hasen. Sie jedoch dachten an eine andere Art von Beute. Und obwohl sie ihnen bereits entwischt war, befahl der Leutnant, das Feuer zu eröffnen, und alle schossen, ohne wirklich zu wissen, in welche Richtung, auf wen oder was sie zielen sollten. Nur Vater nicht. Er schwor sein Leben lang, er habe in diesem Moment den Kopf gewendet und rechts hinter einem Felsen die Silhouette eines jungen Mannes verschwinden sehen, dessen Haar ihm in die Stirn fiel. Die anderen hatten davon nichts mitbekommen.
    »Kann sein, kann auch nicht sein, Antonino, zerbrich dir nicht den Kopf«, sagte der Leutnant. »Wir sind alle sehr nervös, da kann so etwas schon vorkommen …« »Ich habe ihn aber gesehen, Herr Leutnant«, beharrte er, »bei meinen Kindern, ich habe ihn gesehen.« »Ich glaube dir ja, Antonino, aber ich habe in dieselbe Richtung geguckt wie du und nichts gesehen.« »Herr Leutnant«, unterbrach der Portugiese sie erneut. »Kann ich mal eben hinter dem Baum da pinkeln gehen?« Alle blickten ihn an. »Brauchst du Hilfe oder was?«, fragte Sanchís und lachte. Michelin wies ihn nicht zurecht, dass er wie üblich einen Nachbarn verspottete. Schließlich hatte der lästige Feldwebel ihm in der Nacht das Leben gerettet. »Klar kannst du austreten, Pepe, nur zu, wo immer du willst, der Berg gehört dir.« Ohne auf ihn zu warten, rückten sie vor, um die Leichen zu untersuchen. Den zweiten Mann, den Sanchís erschossen hatte, kannten sie, es war ein Schuster aus Valdepeñas namens Sotero, den jedermann Comerrelojes, Uhrenfresser, nannte, weil er es immer eilig hatte und zu jeder Verabredung zu früh kam. Der Leutnant atmete erleichtert auf, weil er einer von Cencerros engsten Vertrauten

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