Der Feind meines Vaters - Roman
der richtige Verräter, wenn man so will, war nicht Comerrelojes, sondern einer aus Castillo de Locubín, der seit vielen Jahren Verbindungsmann gewesen und erst vor drei Monaten in die Berge gegangen war. Toribio el Carambita. Es heißt, Cencerro hätte ihm mehr vertraut als seinem eigenen Vater, weil sie von klein auf Nachbarn gewesen waren. Nur damit du siehst, wie es war. Und was ist passiert? Das Übliche. Comerrelojes und er hatten sich mit derselben Frau eingelassen. Ihr Mann sitzt im Gefängnis, Carambita ist verheiratet und der andere in den Bergen, also hatte sie leichtes Spiel, aber offensichtlich gefiel ihr der da oben am besten. Und als Carambita ihr erzählte, dass er Cencerro für einen ordentlichen Batzen Geld verraten würde, damit sie dann zusammen verschwinden könnten, erzählte sie es Comerrelojes weiter. Fordere die Hälfte, damit du den Mund hältst, und dann hauen wir beide ab, muss sie ihm gesagt haben …«
»Ach so ist das! Da steckt man Carmen la Rosa ins Gefängnis, weil sie anständig ist, und …«
»Mercedes! Fang nicht wieder damit an. Das führt zu nichts.«
»Schon gut, ich sage ja nichts. Nur, da kann man sehen, was das für eine Schlampe ist …«
»Ja, aber das sind nun einmal die Tatsachen. Wie auch immer, Comerrelojes sprach mit einem seiner Cousins und bot ihm einen Anteil an. Oder der Cousin hat es mitbekommen und forderte Schweigegeld von ihm, wer weiß.« Vater füllte sein Glas erneut und sprach gelassen weiter, als erzählte er einen Witz. »Jedenfalls gingen sie zu Carambita und fanden ihn allein bei den Olivenbäumen, drohten, seinen Plan an die Banditen zu verraten, was sein Todesurteil bedeutet hätte, und verlangten die Hälfte der Beute für ihr Schweigen. Carambita tat so, als ginge er auf die Erpressung ein, hatte aber bereits mit Hilfe der Guardia Civil seines Dorfes ein Abkommen mit dem Oberkommando getroffen und sagte keinen Ton. Er ist ja nicht auf den Kopf gefallen. Am Tag der Schießerei hatte er sich bereits aus dem Staub gemacht, aber offensichtlich mit der Hälfte der Beute. Die andere Hälfte soll er später an einem anderen Ort erhalten, aber darüber ist nicht gesprochen worden, weil man offiziell keinen Céntimo bezahlt hat, wie du dir denken kannst. Was zählt, ist, dass er aus Castillo de Locubín verschwunden ist und nicht mehr gesehen wurde. Seine Geliebte hat er nicht abgeholt, wahrscheinlich hat er rechtzeitig den Braten gerochen, und Comerrelojes hatte das Nachsehen. All das hat die Frau seines Cousins erzählt, des zweiten Mannes, den Sanchís erschossen hat; er hieß Pilatos.«
»Pilatos?«, lächelte Mutter. »Was haben die Leute für eine Phantasie. Sie haben ihm den Spitznamen doch sicher erst danach gegeben, oder?«
»Nein, Mercedes, so hieß er schon immer. Hätten sie ihn jetzt einen Spitznamen verpasst, hätten sie ihn wohl Judas nennen müssen …«
»Ach ja, du hast recht.«
»Ja? Dann hör auf, mich ständig zu unterbrechen.« Anschließend vervollständigte Vater die Chronik des anderen großen Ereignisses im Sommer 1947. »Pilatos’ Frau hat außerdem noch erzählt, dass die beiden nicht gewusst hätten, wohin sie nach Cencerros Tod gehen sollten. Uns konnten sie nicht um Schutz bitten, das versteht sich von selbst, aber zu ihren Leuten auf dem Berg konnten sie auch nicht, denn die hätten sie nach allem, was vorgefallen war, natürlich verdächtigt. Fazit: Sie beschlossen, sich den Sommer über in den Bergen zu verstecken und anschließend auf eigene Faust zu verschwinden.« An diesem Punkt verstummte er und sah Mutter an, als forderte er sie auf, das Ende zu erzählen.
»Und die in den Bergen haben sie gefunden.«
»Vermutlich, denn sie sind uns stets um eine Nasenlänge voraus. Sie werden sie zur selben Zeit wie wir entdeckt haben oder vor uns. Carambita war ihnen entwischt, ich glaube nicht, dass sie ihn noch kriegen, aber diese beiden müssen sie im Visier gehabt und nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet haben, um sie zu erledigen. Jedenfalls hatten sie sich gut postiert. Und als sie uns kommen sahen, haben sie sich gesagt, wie schön, die nehmen uns jetzt die Arbeit ab. Oder einer hat sich das gesagt, denn ich glaube nicht, dass noch weitere da waren. Und dieser eine war Regalito. Ich habe ihn wegrennen sehen, nur ganz kurz, aber ich habe ihn an dem Haar erkannt, das ihm in die Stirn fiel.«
»Du kannst dir nicht sicher sein. Vielleicht war es nicht er, auf die Entfernung und in der Dunkelheit …«
»Ich
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