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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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die sich so verhielt, als existierte ich gar nicht. Doña Elena dagegen kam lächelnd auf mich zu.
    »Du wirst also mein Schüler sein, stimmt’s?«
    »Ja.« Ich reichte ihr eine unschlüssige Hand, die sie fest drückte.
    »Freut mich sehr, dich kennenzulernen. Manoli hat Pfannkuchen mit Honig gemacht. Sehr lecker. Willst du Limonade dazu?«
    »Ja, danke.« Als ich mich auf den Stuhl setzte, auf den sie zeigte, hatte ich das Gefühl, als wäre in diesem Haus alles anders, als es sein sollte. »Gibt es denn keinen Unterricht?«
    »Heute nicht.« Und in diesem Augenblick begann es mir schon zu gefallen. »Heute essen wir zusammen Pfannkuchen, damit wir uns besser kennenlernen. Ich habe gehört, dass du gern liest.«
    Die Pfannkuchen schmeckten so gut, dass ich ein halbes Dutzend aß, und Filo schenkte mir zweimal Limonade nach, sodass ich mich am Ende ganz wohl fühlte auf der Veranda, doch das Beste hatte ich an diesem Nachmittag noch gar nicht entdeckt.
    »Oje, es ist schon halb sechs.« Doña Elena stand auf, als hätte sie es plötzlich sehr eilig. »Komm, Nino, ich zeige dir mein Haus.«
    »Ihr Haus?« Sie blieb nicht stehen, um mir zu antworten, sodass ich ein paar Schritte laufen musste, um zu ihr aufzuschließen. »Wohnen Sie denn nicht hier?«
    »Nein. Ich wohne im alten Häuschen da drüben, dem ersten, das hier gebaut wurde.« Sie zeigte auf einen Pfad, der sich zwischen Bäumen verlor. »Später war es ein Stall und noch später eine Scheune, aber es stand zu weit weg vom großen Haus … Als ich herkam, benutzte Catalina es, um Gerümpel aufzubewahren. Mit gefiel es, auch wenn es völlig heruntergekommen war. Sie hatten die Fenster zugemauert, und das Licht drang nur durch die kleinen Luken in der Mansarde, das Dach war halb zerfallen und der Fußboden aus Erde. Mit Hilfe von Freunden haben wir es renoviert, und jetzt lebe ich hier mit meiner Enkelin. Ich war schon immer sehr selbständig, weißt du. So haben sie drüben auch mehr Platz, und Platz kann man nie genug haben.«
    Doña Elenas Haus war weiß, schön und sauber, so wie sie selbst. Es war von Bäumen und Blumentöpfen umgeben und bestand nur aus einem viereckigen Zimmer, dessen getünchte Wände genauso weiß waren wie die Fassade. Der Boden bestand aus Matten von Espartogras, die so präzise geflochten und miteinander verbunden waren, dass man nicht vermutete, es sei nur Erde darunter. Nur wenn man ganz dicht an die Fenster trat, sah man, dass die mit mehreren Schichten blauer Farbe gestrichenen Rahmen aus verschiedenen Holzteilen bestanden, manchmal aus vielen kleinen Einzelteilen, die aneinandergeklebt und zu einheitlichen Leisten geschliffen worden waren. So eine geschickte Arbeit konnte nur von Lorenzo Fingenegocios stammen, dem besten Schreiner im Dorf, ehe er in die Berge gegangen war. Bis heute litt er unter dem Spitznamen, den er von seinem Großvater geerbt hatte, einem Faulpelz, der jeden Tag mit Anzug und Krawatte und einer Aktentasche in der Hand sämtliche Kneipen im Dorf aufgesucht hatte, als wäre er ein vielbeschäftigter Bankier.
    Links vom Eingang hatte es früher eine Küche gegeben, die jedoch nicht benutzt wurde, weil die jetzige Bewohnerin im großen Haus aß, und direkt gegenüber stand zwischen zwei Nachttischen aus weißem Marmor ein Ehebett mit einem Kopfteil aus Schmiedeeisen, auf dem eine Decke aus rotem Samt mit seidenen Fransen lag, die aus einer anderen Welt zu stammen schien, wie auch der Tisch und die Stühle aus geschnitztem Holz in der Mitte des Raumes. Doch keines dieser Möbel war so kostbar wie der Schatz, der sich an der vorderen Wand bis zur Tür erstreckte, unter einem Zwischengeschoss, das so tief war, dass zwei kleine Fenster nicht ausreichten, um es auszuleuchten, und wo Doña Elena all das Gerümpel verstaut hatte, das sie bei ihrem Einzug im Haus vorgefunden hatte. Unter dem hölzernen Vorsprung standen wie ein maßgeschneidertes Regal vier Reihen alter, hochkant übereinandergestapelter Obstkisten und darin sauber und ordentlich unzählige Bücher. Dass ein einzelner Mensch so viele Bücher besitzen könnte, hätte ich mir niemals vorstellen können.
    Als ich sie sah, war ich sprachlos. Ich bekam wackelige Knie, als ich darauf zuging und mit den Fingerspitzen über die Buchrücken aus Leder oder Pappe fuhr, abgewetzt und weich die einen, voller Rillen, als hätte man sie unzählige Male aufgeschlagen, die anderen. Über die Entstehung der Arten; Don Quixote von der Mancha; Moralische Novellen;

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