Der Feind meines Vaters - Roman
Anspielungen. Manche behaupteten, Doña Elena sei reich und Catalina kümmere sich um sie, weil sie es auf ihr Erbe abgesehen habe. Andere erzählten dieselbe Geschichte, aber andersherum; sie waren davon überzeugt, dass la Rubia ihr das Geld aus der Tasche zog dafür, dass sie auf ihrem Hof wohnen durfte. Natürlich gab es auch abstrusere Versionen, etwa, dass die Frauen ein Paar seien oder dass einer von Catalinas geflohenen Söhnen Elenitas Vater sei. Niemand verschenkt etwas, einfach so, meinten sie, ganz ohne Gegenleistung. Sie hatten recht und auch wieder nicht, denn Doña Elena bezahlte keine Miete an Catalina, aber Catalina konnte über das wenige Geld verfügen, das Doña Elena besaß. Keine der beiden bekam eine Rente, beide arbeiteten gleich schwer, wenngleich die Witwe des Arztes, deren Hände vom Flechten des Espartograses Schwielen bekommen hatten, noch Spuren eines anderen Lebens bewahrte, Erinnerungen an einen vergangenen Wohlstand.
»Heute versteht das keiner mehr«, erklärte mir der Portugiese auf dem Weg zum Hof der Rubias. »Früher schon, während der Republik verstanden es alle, weil es Streiks und Streikkassen gab und Gewerkschaften, die zinslose Darlehen vergaben, Witwen unterstützten und Schulen für Waisenkinder bauten, aber jetzt … Es ist fast so, als hätte es das niemals gegeben, als würde sich keiner mehr daran erinnern, und deshalb … hat heute auch keiner Interesse, etwas für die anderen zu tun. Diese beiden Frauen tun nichts anderes, als sich gegenseitig zu helfen, sie leisten sich Gesellschaft und bewirtschaften den Hof, um ihre Enkel so gut wie möglich durchzubringen, und was die Leute erzählen …«
Ich war vor ihm an der Kreuzung angekommen und so nervös, dass mir erst bei seinem Anblick einfiel, dass ich den Henkelmann aus Aluminium auf dem Küchentisch vergessen hatte.
»Macht nichts«, sagte er ruhig und lächelte vergnügt. »Später komme ich mit dir runter, und du gibst ihn mir.«
»Ja«, antwortete ich, nur um etwas zu sagen. »Besser, weil …«
Als er das Zittern in meiner Stimme bemerkte, legte er mir besorgt die Hände auf die Schultern und sah mir in die Augen.
»Was ist mit dir los?«, fragte er und lächelte erneut. »Sag bloß, du hast Angst.«
»Ein bisschen«, gab ich zu.
»Wovor?« Ich konnte es ihm nicht erklären, aber er verstand es. »Komm schon, Nino! Es sind nur zwei arme Frauen. Sie werden dich nicht auffressen, glaub mir …«
Und um mich zu beruhigen, erzählte er mir, wer Doña Elena war und warum sie bei Catalina lebte, doch ich war immer noch nervös und fürchtete mich wie ein Soldat, der in Feindesland vorstößt.
»Aber Antonino! Um Gottes willen!«
Als ich zwei Tage zuvor mit den Krebsen im Henkelmann nach Hause gekommen war, wartete Vater bereits in der Küche, doch die Gründe für die Verabredung, die der Portugiese mir verraten hatte, nannte er erst, nachdem meine Schwestern ins Bett gegangen waren. Als Mutter ihn flüstern hörte wie jemand, der stockend ein schreckliches Geheimnis erzählt, warf sie die Hände über den Kopf.
»Wirklich, ich verstehe dich nicht!« Sie senkte nicht einmal die Stimme, als sie ihre Empörung zum Ausdruck brachte. »Als wäre es sonst was …«
»Es wird so gemacht, wie ich sage«, entgegnete Vater ernst. »Hör auf mich und rede mir nicht rein, Mercedes.«
Damit erreichten sie nur, dass ich noch nervöser wurde. Mutter erzählte, wie sie zufällig Filo auf der Straße getroffen habe, die gerade Wolle kaufen ging. Da sie selbst Nadeln brauchte, sei sie mit ihr in den Laden gegangen, und Filo habe ihr erzählt, dass sie mir am Tag ihrer Verhaftung auf der Wache begegnet sei und gemerkt habe, dass ich keine Fortschritte machte, was sie nicht gewundert habe, weil Mediamujer keine Ahnung hätte. Das habe Vater ihr ebenfalls erzählt, weil er mich gehört hatte, als er Dienst hatte. Er meine, ich schriebe immer noch viel zu langsam, obwohl ich schon so lange Unterricht nähme, und dieses und jenes … Fast wollte ich sie schütteln, damit sie endlich auf den Punkt kam.
»Niemand darf etwas davon erfahren, Nino.« Vater war direkter. »Weil ich unter anderem nicht will, dass der Leutnant sich gekränkt fühlt. Es wäre nicht gut. Er wollte uns nur einen Gefallen tun, das weißt du ja, er hatte die besten Absichten, aber …« Als es schon fast so aussah, als ließe er sich von der Geschwätzigkeit meiner Mutter anstecken, verriet er mir doch etwas, das ich noch nicht wusste. »Ich habe ihm
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