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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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wie du … dann wäre gar nichts geschehen, nicht? Wir würden seelenruhig hier sitzen, angeln oder Krebse fangen, baden oder dumme Späße machen.«
    »Aber es ist geschehen.« Keine Ahnung, warum gerade in diesem Moment und nicht vorher oder später, aber jetzt füllten sich meine Augen mit Tränen.
    »Ja, es ist geschehen.« Er rückte etwas näher zu mir, legte den rechten Arm um meine Schultern und drückte mich kurz, ehe er weitersprach, und da wurde mir bewusst, dass er mich zum ersten Mal umarmte. »Es ist eine Gemeinheit, Nino, glaub nicht, ich würde es nicht verstehen. Schließlich bist du noch ein Kind, erst zehn Jahre alt, hast nichts gewusst und bist für nichts verantwortlich. Du hast nicht verdient, was dir gerade passiert, aber es ist nun einmal so, und jetzt musst du an dich und an die anderen denken.«
    »An dich …«, riskierte ich, denn ich wusste nicht, worauf er hinauswollte.
    »Nein, nicht an mich.« Er ließ mich los und lächelte erneut, benahm sich wieder wie immer. »Ich habe mit alldem nichts zu tun. Ich mag Paula, ja, und ich bin gern mit dir zusammen, so wie mit meinen Neffen in Torreperogil, und wenn du zu dem Schluss kommst, dass wir nicht länger Freunde sein können, ja… dann werde ich dich vermissen, wenn ich allein hier oder am Fluss bin, doch mir wird nichts weiter passieren. Wenn du deinem Vater sagst, dass du nicht mehr zum Hof der Rubias willst, wird er sich und dann auch dich nach dem Grund fragen. Früher oder später wird er erfahren, was vorgefallen ist. Er wird sich ziemlich mies fühlen, mieser als jemals zuvor, weil er Pesetilla nicht töten wollte, wie gesagt, und nicht stolz darauf ist, ihn getötet zu haben. Ich bin sicher, dass er sich schuldig fühlt, auch wenn er sich einredet, er hätte nur seine Pflicht getan, und selbst das ist wahr, weil es für viele Spanier zur Pflicht geworden ist, Menschen in den Rücken zu schießen. Ihm wäre es viel lieber gewesen, es nicht tun zu müssen, und vor allem, dass du niemals davon erfährst. So mies und schäbig wird er sich vorkommen, dass er sich möglicherweise an Catalina rächen will und jeden Tag ihren Hof durchsucht, sie erniedrigt, ihr das Leben zur Hölle macht. Das kann er, wie du weißt, und einige seiner Kumpel würden ihn liebend gern dabei unterstützen, ohne Fragen zu stellen, auch das ist dir klar. Und vielleicht denkst du, dass Catalina es verdient, dass man es ihr mit gleicher Münze heimzahlen müsste, weil sie dir so wehgetan hat, aber dann werden auch Chica, Paula, Filo, Manoli und ihre Kinder, Elena und ihre Enkelin darunter leiden, denn sie wohnen alle zusammen und leben von denselben Einkünften. Aber nicht einmal das wäre das Wichtigste, Nino.«
    Er hielt inne, sah mich an, und ich erwiderte seinen Blick, so gut ich konnte. Er war mir noch nie so groß vorgekommen und ich mir selbst so klein und schwach. Wie sollte ich diese schwere Last tragen, die er mir gerade auf die Schultern gelegt hatte und die jetzt schon unerträglich war? Wie der gewaltige Felsbrocken, den ein Grieche, dessen Namen mir nicht einfiel, obwohl Doña Elena ihn bestimmt mehrmals genannt hatte, als sie mir die Geschichte erzählte, auf Geheiß der Götter ein Leben lang hatte schleppen müssen.
    »Du musst jetzt vor allem an dich denken«, fuhr er fort, mit einer Stimme, die so kräftig und selbstsicher war, als wendete er sich von der Spitze des Olymp an mich. »Das ist das Wichtigste: was aus dir werden soll, was für ein Mensch du sein willst, ob du dich den Machthabern beugen willst oder dich ihnen widersetzen kannst. Es gibt Menschen, die glauben, in Spanien wären die Dinge so, wie sie sein sollten, und die Guardia Civil wäre niemandem Rechenschaft schuldig, dass man kein Gerichtsverfahren benötigt, um jemanden für schuldig zu erklären, und Gesetze zu befolgen sind, egal wie ungerecht sie sein mögen, bloß weil es Gesetze sind. Andere, die meisten, glauben das nicht, aber aus Angst trauen sie sich nicht, es laut auszusprechen. Sie würden lieber in einem anderen Land leben, mit anderen Gesetzen und einer anderen Polizei, die anderen Pflichten nachkommt. Trotzdem zucken sie die Achseln und halten den Mund, damit ihnen ja nichts passiert, denn sie wissen, was alles passieren kann und wie gefährlich es ist, sich mit den Mächtigen anzulegen. Und dann gibt es noch die anderen, wenigen, die selbständig denken und in Übereinstimmung mit ihren Idealen handeln; nicht, weil sie nicht um die Risiken wüssten, die sie

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