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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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Valdepeñas zurückgewollt hatte und auch nie wie Romero oder Carmona zum Gefreiten befördert oder versetzt würde, egal wie oft er darum bäte. Sie wollen es ihm nicht leichtmachen, sondern ihn hier haben, unter Beobachtung, denn sie trauen ihm nicht über den Weg, und er weiß es. Dein Vater ist bei der Guardia Civil, weil er am 18. Juli 1936 in einem Dorf lebte, in dem der Putsch erfolgreich war, weil dort niemand die Geschichte seiner Familie und auch nicht die der Familie seiner Frau kannte, und er glaubte, dass euch nichts passieren würde, wenn er bei der Guardia Civil wäre und es herauskäme. Deshalb kämpfte er auf der Seite, die später den Krieg gewann. Wenn dein Vater damals in seinem Dorf gewesen wäre … Na ja, er war ein Tagelöhner ohne Land, und alle Tagelöhner kämpften damals auf der einen Seite.«
    Er hielt inne und dachte nach, als brauchte er Zeit, um seine nächsten Worte behutsam zu wählen, aber was er da sagte, konnte ich noch nicht richtig verstehen und brachte das einzige vor, was ich von dieser Geschichte kannte.
    »Auf der Seite der Verlierer.«
    »Ja, aber er hat den Krieg gewonnen. Gegen seine Eltern, seine Brüder, seine Cousins, seine Schwäger und Freunde. Er gewann ihn, und ich wage zu behaupten, dass er ihn lieber verloren hätte, aber er hat ihn gewonnen, und man versetzte ihn hierhin, einen Katzensprung von Valdepeñas de Jaén entfernt, wo sämtliche Nachbarn sich noch daran erinnern, wer die Carajitas waren, dass sie alle in der Gewerkschaft der Tagelöhner organisiert waren und geschlossen für die Volksfront gestimmt hatten. Dein Großvater Manuel war zu seinem Pech auch noch mit Pelegrín befreundet, dem Bürgermeister auf Lebenszeit. Hast du nie von ihm gehört?«
    »Doch, aber …«
    Ich war so verdutzt, dass es mir die Sprache verschlug. Ich hatte nicht nur ein-, zweimal von diesem Bürgermeister gehört – Vater erwähnte ihn ständig. Das war in den Zeiten des Bürgermeisters auf Lebenszeit, sagte er immer, so wie Mutter von den Zeiten des Tarara sprach, als wäre es das Pleistozän, eine ferne prähistorische Ära, die keinen anderen Sinn besaß, als dass man ihr all diese Dinge zuschrieb, die Tänze, die Lieder, die unwiederbringlichen Traditionen. Das war der Bürgermeister auf Lebenszeit für mich, ein riesiges Depot von verlorenen Dingen, aus dem nichts und niemand je zurückgekehrt war.
    »Natürlich habe ich von ihm gehört«, versuchte ich Pepe zu erklären, um die Frage zu beantworten, die seine hochgezogenen Brauen stellten. »Aber ich glaubte, es wäre so etwas wie eine Redensart. Wenn Vater von der Vergangenheit spricht, sagt er immer, in den Zeiten des Bürgermeisters auf Lebenszeit. Ich habe nie geglaubt, dass es ihn wirklich gegeben hat.«
    »Doch, doch.« Pepe lächelte. »Und er lebt immer noch, obwohl ich nicht weiß, ob man das noch Leben nennen kann … jedenfalls ist er noch am Leben. Ich habe ihn in besseren Zeiten gekannt, noch gar nicht so lange her, glaub mir. Pelegrín Martos Peinado war der berühmteste Bürgermeister der Provinz Jaén, weil er der einzige in der Volksfront war, der bis zum Kriegsende im Amt blieb. Nicht dass es besonders lang gewesen wäre, nur drei Jahre, aber da alle anderen hier nur Eintagsfliegen waren, bekam er diesen Spitznamen: Bürgermeister auf Lebenszeit. Kein Komitee traute sich, ihn abzusetzen, man versuchte es erst gar nicht, und als die Franquisten den Krieg gewannen, legte er seine Amtstracht an, Anzug und Krawatte, begab sich wie jeden Tag ins Rathaus, setzte sich an seinen Schreibtisch und wartete darauf, dass man ihn verhaftete. Die Dorfbewohner hatten großen Respekt vor ihm. Sie liebten ihn, weil er nicht nur die Sozialistische Partei von Valdepeñas gegründet hatte, sondern auch sehr gut Geige spielte, und in diesem Dorf sind alle Musiker …« Er blickte mich an und lächelte. »Aber das wirst du doch wohl wissen, oder?«
    Ich nickte, denn ich wusste es tatsächlich, ich hatte es immer gewusst, obwohl ich mich nie gefragt hatte, warum. Die Dörfer in der Sierra Sur lagen so weit auseinander und waren so tief in ihren eigenen Tälern verborgen, dass sie ganz unterschiedliche Bräuche entwickelt hatten, manchmal völlig andere oder sogar entgegengesetzte als die in Dörfern, die nur ein Dutzend Kilometer entfernt waren. Die aus Castillo de Locubín beispielsweise lispelten das S, die aus Alcalá la Real sprachen das Z wie S aus, und die aus Valdepeñas, die es fertigbrachten, Spanisch zu sprechen,

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