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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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der Leichtigkeit dieser winzigen Geste entspannte sich sein ganzer Körper, Schultern, Arme, Rücken, so unmerklich, dass ich nicht einmal weiß, ob ich es tatsächlich sah, aber ich spürte es, streifte es mit imaginären Fingerspitzen, als hätte seine plötzliche, blitzschnelle Verwandlung eine neue, mir unbekannte Antenne aktiviert, eine Fähigkeit, die sich von all meinen bis dahin bekannten unterschied.
    »Na gut, dann lass uns gehen.« Er sprach wieder wie immer, lächelte wie immer, sah mich an wie immer und klopfte mir auf den Rücken wie immer, wenn er mit mir zufrieden war. Ich wusste, dass er sich meinetwegen freute, doch da war etwas anderes, dass ich noch nicht richtig verstand. »Ich komme bis zur Kreuzung mit und gehe dann hoch, einverstanden?«
    »Gut.«
    Ich stand auf, klopfte mir die Hose ab, und dann gingen wir zusammen los, doch fragte ich mich, ob meine Antwort ihn mehr erleichtert hatte, als er zeigte, und wenn das so war, warum er sich verstellte. Hatte noch etwas auf dem Spiel gestanden, als er mich an jenem Nachmittag abgeholt hatte, abgesehen von meiner Zukunft, der augenblickliche Horizont meiner zehneinhalb Jahre, die ferne Landschaft, die ein Mann namens Antonino Pérez Ríos einst bewohnen würde und von dem ich bislang nur den Namen kannte. Ich vertraute dem Portugiesen und zweifelte nicht daran, dass er sich um mich sorgte, so wie ich mich bei anderen Gelegenheiten um ihn gesorgt hatte, weil Sorge im Fuensanta de Martos des Jahres 1948 das sicherste Indiz für Freundschaft und Zuneigung war, dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, dass noch mehr dahintersteckte. Hinter diesem untadeligen, wohlüberlegten Vortrag, den er von Anfang bis zum Schluss so vortrefflich dosiert hatte, musste sich etwas anderes verbergen. Für einen kurzen Moment glaubte ich, Pepe hätte mir nicht alles gesagt, aber ich hätte diesen Verdacht nicht einmal andeuten können, weil er sofort sämtliche Grenzen meiner Vorstellungskraft sprengte.
    »Damit es klar ist, ich gehe nur deinetwegen zum Hof hoch. Du hast ja keine Ahnung, was mir blüht, wenn Paula mich dort sieht.« Er wusste, wie man Menschen zum Sprechen bringt, sie ablenkt und auf die eigenen Interessen lenkt. »Ich weiß nicht, ob du es mitgekriegt hast, aber seit zehn Tagen spricht sie nicht mehr mit mir.«
    »Wirklich?« Natürlich war mir nicht entgangen, dass wir länger als eine Woche nicht mehr zusammen oben gewesen waren, das wusste er auch. »Aber vorgestern habt ihr euch doch noch umarmt, oder nicht?«
    »Ja, weil ihr Bruder gestorben war. Als ich davon erfuhr, bin ich sofort zu ihr hochgelaufen, aber es war eine Art Waffenstillstand. Seit gestern ist alles wieder wie gehabt, weil ihr hier im Dorf so verfluchte Klatschmäuler seid, verstehst du?« Er selbst sagte jedem das, was er hören wollte, und sonst kein unnötiges Wort. »Letzten Monat, als ich in Jaén war, um Viehfutter zu kaufen, hatte ich nichts Böses im Sinn, und am allerwenigsten … Doch dann lief ich beim Einkaufen einem aus meinem Dorf über den Weg, und der wollte mich unbedingt zu einem Gläschen einladen, da ist doch nichts dabei, oder? Anschließend musste ich ihn einladen, um mich zu revanchieren, und so weiter. Am Ende landeten wir spätnachts in einer Kneipe außerhalb der Stadt, die ganz normal wirkte, na ja, mehr oder weniger normal, aber drinnen waren ein paar Weiber, die … uff! Wenn du das gesehen hättest … klar wäre es besser gewesen … aber das erzähle ich dir lieber nicht.«
    »Wenn ich was gesehen hätte?« Er wusste genau, wie man Fische zum Anbeißen brachte. Er brauchte nur den Köder auszuwerfen.
    »Nein, dafür bist du noch zu klein.« Er wusste genau, wie man mit der genau richtigen Kraft an der Leine zog.
    »Ich bin nicht klein, verdammt!« Er wusste genau, wie man die Beute zappeln ließ, solange es nötig war. »Das macht man nicht, Pepe, wenn man eine Geschichte anfängt, dann muss man sie auch zu Ende erzählen.«
    »Stimmt.« Er wusste genau, dass es beim letzten Ruck kein Entrinnen mehr gab, keine Rettung. »Da hast du recht, jawohl, aber du musst mir versprechen, dass du es niemandem erzählst.«
    »Großes Ehrenwort.« Und plötzlich rückten Vater, Großvater, Pesetilla und alles andere in den Hintergrund, wurden unschärfer, kleiner und undeutlicher, ohne dass ich es überhaupt merkte.
    »Nichts weiter, nur dass am Tresen eine Blondine saß. Nicht wie Paula, die man blond nennt, obwohl sie dunkelbraunes Haar hat, sondern richtig blond,

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