Der Feind
den entsprechenden Konten gelandet war. Insgesamt zwölf Millionen Dollar. Nachdem Prinz Muhammad bin Rashid verlangt hatte, dass das Ganze wie ein Unfall aussehen musste, war Abel nicht bereit gewesen, die zusätzlichen Kosten selbst zu tragen, und hatte sich deshalb an Saeed Ahmed Abdullah gewandt. Der Milliardär schien sich überhaupt keine Sorgen wegen irgendwelcher Ermittlungen im Zuge des Todes von Mitch Rapp zu machen. Abel versuchte ihn zu überzeugen, dass durchaus mit Konsequenzen zu rechnen war, bis der Milliardär schließlich nachgab und die Kosten übernahm.
Zwölf Millionen Dollar insgesamt, und das Ganze hatte nicht einmal zwei Wochen in Anspruch genommen. Abel nahm an, dass das in diesem Geschäft einen Rekord darstellte. Es würde ihm nicht leichtfallen, nicht mit diesem satten Gewinn zu prahlen, doch es gab einen Faktor, der ihn bremsen würde. Wenn die Killer davon hörten, würden sie ihn wahrscheinlich töten, und wenn die Amerikaner davon Wind bekamen, würden sie ihn wahrscheinlich foltern und danach töten. Nein, er würde in der nächsten Zeit sicher den Mund halten. Vielleicht konnte er in zwanzig Jahren, wenn er seine Memoiren schrieb, verraten, dass er einst für den Tod von Amerikas gefürchtetstem Antiterror-Spezialisten verantwortlich war. Er wusste, wo das wahre Risiko lag – doch dagegen konnte er nichts tun. Saeed Ahmed Abdullah würde den Drang verspüren, damit zu prahlen, dass er für den Tod des gefürchteten Mitch Rapp verantwortlich war.
Während Abel auf den Bildschirm starrte und auf die Bestätigung der Banken wartete, kam ihm plötzlich ein Gedanke. Er war selbst überrascht, dass er nicht schon früher daran gedacht hatte. Warum sollte er nicht einen Teil seines neu erworbenen Vermögens dafür verwenden, den Vater ausschalten zu lassen? Er beschloss, diese Möglichkeit genauer zu prüfen. Eine E-Mail erschien in der Inbox. Abel öffnete die Nachricht und lächelte, als er las, dass zwei Millionen Dollar auf seinem Konto eingetroffen waren, von denen eine Million gemäß seiner Anweisung sofort auf eine Bank auf den Bahamas transferiert wurde. Fünf weitere E-Mails trafen kurz nacheinander ein, alle mit annähernd dem gleichen Inhalt. Abel griff zum Telefon und bestellte eine Flasche Pichon Longueville Baron Jahrgang 1989. Er blickte auf die Kuppel von Santa Maria della Salute hinaus und dankte Gott für die Tüchtigkeit der Schweizer.
45
CIA SAFE HOUSE, VIRGINIA
Rapp wachte auf und hoffte einmal mehr, dass er alles nur geträumt hatte, doch ein Blick auf die ihm fremde Umgebung sagte ihm, dass es nicht so war. Sein ganz persönlicher Albtraum war bittere Wirklichkeit. Seine Frau und sein ungeborenes Kind lebten nicht mehr. Erneut suchten ihn all die quälenden Erinnerungen heim, so wie damals, als seine Freundin bei einem von Terroristen verursachten Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war – nur war diesmal alles noch viel schlimmer. Er hatte Jahre gebraucht, um über die erste Tragödie hinwegzukommen. Mit der Zeit und mit seiner neuen Tätigkeit, die ihm alles abverlangte, hatte sich der Schmerz schließlich gelegt. Und dann war Anna in sein Leben getreten, und die Welt war wieder in Ordnung. Die schmerzhafte Wunde war verheilt und hatte eine Narbe hinterlassen, die ihn an den Verlust von vor zehn Jahren erinnerte. Und nun war von einem Moment auf den anderen Anna fort – und mit ihr alle Hoffnungen, die er für seine Zukunft gehegt hatte. Die alte Wunde war wieder aufgebrochen und verursachte ihm einen Schmerz, der noch viel entsetzlicher war als beim ersten Verlust. Die Liebe, die er einst in seiner Jugend erlebt hatte, erschien ihm ausgesprochen naiv im Vergleich zu den Gefühlen, die er für seine Frau empfand. Er wusste, dass der Schmerz über diesen Verlust niemals ganz vergehen würde.
Rapp kämpfte gegen die Tränen an und zwang sich, die Situation zu analysieren. Er konnte sich vage erinnern, dass man ihn in der Nacht weggebracht hatte. Er hatte rasende Kopfschmerzen, sah immer noch alles verschwommen und fühlte sich ziemlich lethargisch, was wohl von Beruhigungsmitteln herrührte. Und er sah jetzt auch, dass man ihn an den Armen und Beinen ans Bett gebunden hatte. Das gefiel ihm ganz und gar nicht, und er probierte sofort, wie fest die Riemen waren. Nach kurzem Kampf gab er den Versuch auf. Es war gerade hell genug in dem Zimmer, um zu erkennen, dass er nicht in einem Krankenhaus war. Es sah mehr wie ein Hotelzimmer aus, oder wie ein Schlafzimmer in
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