Der feine Unterschied
überhitzte erste Profisaison langsam in die zweite übergeht, wie normal es sich inzwischen anfühlt, Fußball auf höchstem Niveau zu spielen ... und jetzt ein Bruch des fünften Mittelfußknochens. Bisher hatte ich nicht einmal gewusst, dass cs den gibt.
Ich bin noch nie länger verletzt gewesen, weder als Profi noch in den Nachwuchsmannschaften. Nur einmal musste ich mich an der Leiste operieren lassen, aber da war ich ein paar Wochen später schon wieder auf dem Platz gestanden.
Was wird der Bruch für meine Karriere bedeuten? Brüche sind heikle Verletzungen. Man weiß nie, ob alles so verheilt, wie man sich das wünscht. Die Belastung beim Fußballspielen ist hoch, ein instabiler Fuß kann das ganze Gefühl für das Spiel verändern, im schlimmsten Fall zunichtemachen.
Am Abend nach der Diagnose kämpfe ich mit schwarzen Gedanken. Was, wenn der Fuß nicht mehr wird? Was, wenn ich den Platz in der Nationalmannschaft verliere? Was, wenn meine Karriere genauso schnell vorbei ist, wie sie gerade erst begonnen hat?
Ich schlafe schlecht. Mein Fuß kommt mir nach der Diagnose wie ein Fremdkörper vor.
Am nächsten Morgen beginnen dann die ganz alltäglichen Probleme. Und sie helfen mir zurück in die Spur.
Zuerst einmal steht die Frage an, wo ich mich operieren lassen soll. Mein derzeitiger Arbeitgeber ist der VfB Stuttgart. Dessen Verantwortliche wollen, dass ich in Stuttgart operiert werde. Gleichzeitig weiß ich, dass ich im Sommer nach München zurückkehren werde, sodass es bestimmt nicht falsch ist, auch dem FC Bayern Bescheid zu sagen. Ich rufe Roman, meinen Berater, an. Roman informiert den FC Bayern. Gleichzeitig weiß er von einem Knochenspezialisten in Salzburg. »Dort lassen wir deinen Fuß anschauen, bevor wir etwas entscheiden«, sagt Roman. Plötzlich fühlt sich das Problem ganz anders an, lösbar. Hier ist jemand, der mit mir darum kämpfen will, dass ich wieder ganz gesund werde, so entschlossen wie ich selbst.
Wir fahren nach Salzburg, Roman am Steuer, ich auf dem Beifahrersitz. Die Aussicht, bald eine zweite Meinung zu meiner Verletzung zu hören, gibt mir Zuversicht. Ich habe mich in-zwischen über Ermüdungsbrüche im Mittelfuß informiert. Manche Ärzte empfehlen die sofortige Operation, manche setzen auf Selbstheilung durch Ruhestellung und Zeit.
Das Kapital eines Fußballprofis besteht darin, dass er jederzeit verfügbar ist. Wenn die Mannschaft ihn braucht, muss er da sein und seine Leistung abrufen können - egal, wie er sich gerade fühlt, mit welchen Gedanken er gerade beschäftigt ist oder wo es ihn zwickt.
Verletzungen sind ein Störfaktor dieser Gewissheit. Jeder Trainer will gesunde Profis haben. Profis wissen, dass ihr Stammplatz vielleicht verloren geht, wenn sie verletzt sind und ausfallen. Vielleicht ändert der Trainer das Spielsystem und hat damit mehr Erfolg als bisher. Vielleicht bringt der Ersatzmann so starke Leistungen, dass er anschließend fester im Sattel sitzt als der Spieler, den er ersetzt hat. Eine Fußballmannschaft ist ein kompliziertes, dynamisches Gefüge, es gibt keine Gewissheiten. Ich bin selbst, fällt mir mit einem unangenehmen Beigeschmack ein, nur wegen der Verletzung eines Mitspielers in die erste Mannschaft des VfB Stuttgart gerutscht.
Viele Spieler wehren sich deshalb dagegen, verletzt zu sein. Solange der Physiotherapeut ihre Beschwerden für die Dauer des Spiels verschwinden lassen kann, sei es mit magischen Händen, sei es mit einem Griff in den Medizinschrank, machen sie weiter, als seien sie gesund. Langfristige Dauerverletzungen gelten als Kollateralschäden.
Ich denke nicht so. Wenn ich verletzt bin, bin ich verletzt. Dann ist mein Ziel nicht mehr das nächste Spiel. Dann muss ich nicht mehr auf die Mannschaft schauen, sondern auf mich selbst. Dann arbeite ich mit ganzer Kraft daran, möglichst schnell gesund zu werden. Dazu gehört das Bewusstsein, dass der Körper die Zeit bekommt, die er für die Heilung braucht.
Der Salzburger Knochenspezialist Dr. Artur Trost schaut sich meinen Fuß und die Fotos an, die ich mitgebracht habe. Er sagt nur drei Sätze zur speziellen Situation meines Fußes, bevor er seine Schlussfolgerung zieht: »Ich würde den Fuß operieren.«
Wir fahren zurück nach München. Roman telefoniert mit Uli Hoeneß. Uli Hoeneß will, dass sich Dr. Müller-Wohlfahrt die Verletzung ansieht. Der langjährige Mannschaftsarzt des FC Bayern schickt mich zu Dr. Ludwig Seebauer in München.
Damit ist für mich klar, was
Weitere Kostenlose Bücher