Der feine Unterschied
müssen -schließlich werden die Chefs von jedem, der ihnen über den Weg läuft, um ihre Meinung zu meinem Interview gefragt.
Aber ich weiß auch, dass es Ärger geben wird. Das Interview war schließlich nicht genehmigt. Einige Mitspieler fühlen sich spürbar auf die Füße getreten, vor allem die Mittelfeldspieler. Sie verhehlen nicht, dass sie über meine Kritik sauer sind, und da hilft es auch nichts, dass ich betone, niemanden persönlich angegriffen zu haben. Es ging nicht um Einzelne. Es ging ums System.
Die Chefs äußern sich stinksauer gegenüber den Medien. Andere Spieler sind wiederum total zufrieden mit dem, was ich gesagt habe. Sie sagen: »Respekt«, und dass es gut ist, wenn einer endlich die Sache auf den Punkt bringt.
Die Lage ist angespannt, denn gleichzeitig sorgt auch Luca
Toni für Ärger. Er hat, nachdem er in der Pause des Spiels gegen Schalke ausgetauscht worden war, zornig seine Sachen zusammengepackt und ist aus dem Stadion abgehauen. Das geht nun gar nicht.
Als wir am Sonntag zum Training kommen, ist Kalle Rummenigge schon da. Die Mannschaft wird zusammengetrommelt. Alle Spieler. Alle Betreuer und Physiotherapeuten. Alle, die immer dabei sind.
Es wird eine laute Ansprache des Vorstandsvorsitzenden. Rummenigge ist richtig sauer. So etwas, sagt er, habe er noch nie erlebt. Das werde Folgen haben. Ernste Folgen.
Während Mannschaft, Trainer und Betreuer mit gesenkten Köpfen das Donnerwetter über sich ergehen lassen, kommt der Chef zu dem Schluss, dass meine Entgleisung die höchste Geldstrafe nach sich ziehen werde, die der FC Bayern je ausgesprochen hat.
Ich sitze auf meinem Stuhl und schaue geradeaus. So ist das also, wenn einem der Kopf gewaschen wird. Kannte ich nicht, fühlt sich nicht gut an, kann ich gern darauf verzichten. Aber ein schlechtes Gewissen habe ich trotzdem nicht. Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe, und ich weiß, dass ich bald Gelegenheit bekommen werde, mit den maßgeblichen Männern des FC Bayern darüber zu sprechen. Der Zusammenschiss ist nur das Vorgeplänkel.
Ich habe sogar Verständnis für die Strafpredigt des Chefs. Er muss ein Zeichen setzen, dass der Verein nicht jedem gestattet, öffentlich seine Meinung zu sagen.
So werden wir in den Sonntag entlassen.
Natürlich weiß ich, dass das noch nicht alles war. Ich gehe angespannt nach Hause, stochere am Snooker-Tisch herum und warte darauf, dass mein Handy klingelt. Das Handy klingelt tags darauf, am Montag, unserem freien Tag. Ich soll um zwei an der Säbener Straße sein, der Vorstand erwartet mich. Ich ziehe mir ein weißes Hemd und ein dunkles Sakko an, denn das wird ein richtig offizieller Termin.
Klar bin ich nervös. Ich bin kein Mensch, der Ärger sucht. Aber ich nehme Ärger in Kauf, wenn ich etwas damit bewirken kann. In diesem Bewusstsein fahre ich an die Säbener Straße, steige die Stiegen in den zweiten Stock hinauf und werde in das Vorstandsbüro geführt.
Dort warten bereits Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge, Christian Nerlinger, der designierte Sportchef, und Karl Hopfner.
Der Empfang ist alles andere als freundlich. Meine Chefs sind sauer, und das machen sie in entsprechender Lautstärke deutlich. Aber was ihnen gegen den Strich geht, ist vor allem, wie ich die Sache angelegt habe - ungenehmigtes Interview, noch dazu am Spieltag und nicht, warum ich so weit gegangen bin.
Und das sage ich ihnen jetzt.
Ich sage, dass ich keineswegs, wie von ihnen vorgeworfen, Trainer und Mannschaft kritisiert habe. Im Gegenteil, ich habe mich für den Trainer und die Mannschaft starkgemacht, ich habe mich hinter den Umbruch gestellt, den der Vorstand mit der Verpflichtung von Louis van Gaal eingeleitet hat. Alles, was ich mit meinem Interview bezwecke, dient dem Verein. Ich bin kein Typ für Egotrips, in dieser Sache schon gar nicht, denn der FC Bayern ist auch mein Verein, hier bin ich groß geworden, hier will ich bleiben. Hier will ich Titel gewinnen, so viele wie möglich.
Nachdem in der ersten halben Stunde tüchtig Dampf abgelassen worden ist, entspannt sich die Situation zusehends. Plötzlich sehe ich mich selbst, wie ich an einem Tisch mit den Bossen des FC Bayern sitze und über alles diskutiere, was ich zu sagen habe. Über die Philosophie des Trainers, über die Spielweise des FC Bayern, über deren Auswirkungen auf unsere Transferpolitik und den Personalstand. Darüber, wie der Einsatz von so viel Geld, Kompetenz und Leidenschaft noch besser gebündelt werden kann.
Ich
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