Der feine Unterschied
wiederhole in diesem Gespräch präzis, was ich auch in dem SZ-Interview gesagt habe - aber jetzt kann ich es persönlich machen, kann die richtigen Beispiele bringen und meine Schlussfolgerungen anbringen.
Das Gespräch dauert zwei Stunden, dann schweifen die Themen ab. Uli Hoeneß hat zum Beispiel eine Flasche Cognac geschenkt bekommen, und plötzlich reden wir über Cognac, und dass wir wieder einmal einen gemeinsam trinken sollten.
»Aber eine Geldstrafe bekommst du natürlich schon«, sagt der Vorstand, bevor es zu gemütlich wird, und macht anschließend die Ankündigung wahr, mir die höchste Strafe aufzubrummen, die je ein Spieler des FC Bayern bekommen hat. Ich muss 50.000 Euro dafür bezahlen, dass ich mich nicht an die Kommunikationsregeln des FC Bayern gehalten habe.
Das ist viel Geld, aber ich finde, ich habe es gut investiert. Ich konnte meine Meinung an der richtigen Adresse abliefern. Dafür, wie die Sache gelaufen ist, entschuldige ich mich. Für das, was ich gesagt habe, nicht.
Anschließend kommt Markus Hörwick dazu, der Pressesprecher des FC Bayern, und wir verfassen alle gemeinsam eine Presseerklärung, die, wie ich finde, den Aufwand wert war:
»In einem sehr offenen, ausführlichen und konstruktiven Gespräch hat sich Philipp Lahm für die Art und Weise seiner
Aussagen und den eingeschlagenen Weg entschuldigt. Philipp hat eingesehen, dass es besser gewesen wäre, mit seiner Meinung direkt den Weg zum Vorstand zu suchen. Von Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß, Karl Hopfner und Christian Ner-linger wurde er ermutigt und auch aufgefordert, künftig seine Meinung im direkten Dialog mit den Verantwortlichen zu besprechen. Die vom Vorstand ausgesprochene Geldstrafe wurde von Philipp Lahm akzeptiert. Für beide Seiten ist die Angelegenheit vom Wochenende damit erledigt.«
Damit habe ich genau das erreicht, was ich erreichen wollte - außer den fünfzig Riesen natürlich, die jetzt fällig sind.
In den folgenden Wochen wirkt es weder zufällig noch gekünstelt, wenn sich immer wieder Situationen ergeben, bei denen wir über die Lage sprechen. Der Zwischenfall, der so viel Berichte, Kommentare und Diskussionen in Presse und Fernsehen nach sich gezogen hatte wie sonst vielleicht nur die ab-gekupferte Doktorarbeit eines Ministers, sorgt für eine freie, selbstverständliche Gesprächsbasis zwischen dem Vorstand und mir. Ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist, dass Kalle Rummenigge bei einem Interview die Bemerkung fallen lässt, er könne sich Philipp Lahm durchaus als Kapitän des FC Bayern vorstellen.
Vielleicht auch, weil sich die Lage schlagartig verbessert. Nachdem wir in der Champions League unser entscheidendes Spiel gegen Juventus in Turin gewonnen haben, läuft es beim FC Bayern plötzlich wie am Schnürchen. Wir legen nicht nur eine beeindruckende Erfolgsserie in der Meisterschaft hin, wir spielen plötzlich Fußball, der den Zuschauern gefällt und der die Mannschaft mitreißt.
Die Van-Gaal-Schule wird plötzlich euphorisch gelobt - und der FC Bayern steuert im ganzen Glanz seines Könnens auf die beste Saison seit Langem zu, auf die Deutsche Meisterschaft, den Gewinn des DFB-Pokals und das Finale der Champions League.
Freilich ist damit die Geschichte nicht fertig erzählt. Wir sind während einer halben Saison erfolgreich, klar, und der Fußball, den wir spielen, ist attraktiv. Aber ich merke bald, dass die offensive Ausrichtung unseres Spielsystems zu Lasten der Defensive geht, dass, sobald unser Angriff nicht überragend spielt, Probleme in der Deckung auftreten, die auf das Spielsystem zurückfallen. Und ich merke, dass sich ein Spieler, der sich für seine Mannschaft verantwortlich fühlt, niemals auf seiner Meinung ausruhen darf.
Wir haben jetzt die neue Spielphilosophie, für die ich mich in den Kugelhagel der Öffentlichkeit gestellt habe, aber dafür fehlt uns jetzt die Balance, das richtige Verhältnis zwischen Angriffslust und kompakter Verteidigung. Bald ist es Zeit, wieder ein offenes Gespräch zu suchen, diesmal mit dem Trainer, und als er nicht sehen möchte, was ich meine, auch mit dem Vorstand.
Ich begreife, dass ich den Aufgaben, die auf uns zukommen, täglich neu begegnen muss. Das ist die Lehre, die ich gezogen habe. Engagement ist keine einmalige Sache, und Courage musst du täglich neu beweisen. Auch dafür ist Uli Hoeneß das beste Beispiel, ich würde fast sagen: mein Vorbild.
15. Kapitel
PHILIPP, ICH HAB MICH SO IN DICH VERLIEBT
Ein Leben in der
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