Der feine Unterschied
Öffentlichkeit
Das Gerücht, schwul zu sein - Schattenseiten der Prominenz — Umgang mit den ewigen Blicken - wie du mit Öffentlichkeit umgehst — über das Vertrauen zu Fremden - warum Deals mit den Medien schlau sind — wie du dir ein privates Leben bewahrst
Wer den Namen »Philipp Lahm« in das Suchfenster von Google eingibt, erhält eine Reihe von Vorschlägen für den gewünschten Begriff. Unter meinem Namen findet sich an zweiter Stelle die Wortkombination »Philipp Lahm schwul«.
Zuerst einmal: Ich bin nicht schwul. Ich bin mit meiner Frau Claudia nicht nur zum Schein verheiratet, und ich habe keinen Freund in Köln, mit dem ich in Wahrheit zusammen-lebe.
Aber ich kenne diese Geschichten. Offenbar läuft in Köln ein Mann herum, der jedem, der es hören will, erzählt, dass er mit mir zusammen ist. Das allein finde ich merkwürdig, und noch merkwürdiger finde ich nur, dass die Story überall kursieren kann und sich im Internet in zahllosen Spekulationen und Mutmaßungen wiederfindet.
Mir sind diese Spekulationen egal. Ich habe nichts gegen Schwule, und ich finde Homosexualität nichts Verwerfliches. Aber ich wundere mich immer wieder darüber, dass einzelne Typen, die so eine Geschichte in Umlauf setzen, so viel Einfluss auf
die öffentliche Meinung haben. »Philipp Lahm schwul« ... gibt es wirklich nichts Wichtigeres?
Mir kam also zu Ohren, dass ich regelmäßig nach Köln fliegen würde, um meinen Freund zu treffen und so weiter und so weiter. Da war dann irgendwann der Punkt erreicht, wo ich das Gefühl hatte, ich möchte klarstellen, dass das nicht stimmt.
Ich bin nicht so naiv, dass ich glaube, man könnte solche Gerüchte einfach abstellen. Wer daran glauben will, dass ich schwul bin, wird sich wohl auch von hundert Klarstellungen nicht davon abbringen lassen. Aber als die Anfrage des Schwu-lenmagazins »Front« kam, das ein Interview mit mir machen wollte, sagte ich Ja. Vielleicht, dachte ich, liest die Story ja auch der Kerl, der behauptet, mit mir zusammen zu sein. Dann macht er sich vielleicht mal ein paar Gedanken.
Natürlich ist Homosexualität im Fußball besonders tabui-siert. Vielleicht liegt darin der Grund, dass so viele Menschen nach dem ersten deutschen Fußballer suchen, der sich outet. In diesem Zusammenhang wird immer die Statistik strapaziert, dass der Anteil der Homosexuellen an der Gesamtbevölkerung zwischen einem und zehn Prozent liege. Danach müssten auch ein bis zehn Prozent der Fußballer schwul sein.
Man könnte sich genauso gut die Frage stellen, wie viele Prozent der Fußballspieler insgesamt Profis sind, und ob die Rechnung auch für diese sehr spezielle Gruppe von Profis gilt - ich bezweifle das.
Der Reporter von »Front« fragte mich, ob ich einen einzigen schwulen Fußballprofi kenne. Ich antwortete ihm ganz ehrlich. Nein, ich kenne keinen einzigen.
Aber ich hätte natürlich kein Problem, wenn ich einem schwulen Fußballer begegnen würde, egal ob er in einer gegne-rischen oder in der eigenen Mannschaft spielt. Für alle meine Kollegen kann ich in dieser Frage allerdings nicht sprechen.
Ein schwuler Profi, der sich outet, hätte es bei uns bestimmt nicht einfach. Er wäre der Erste. Die Medien würden ihn auffressen. Es könnte sein, dass manche Mannschaftskollegen ein Problem damit hätten, aber selbst wenn das nicht so wäre: keine Ahnung, was im Stadion los wäre.
Im Stadion geht es ziemlich archaisch zu. Man hat es mit vielen Menschen zu tun, die sich in der anonymen Masse ganz anders benehmen, als sie es einzeln tun würden. Wir betreiben Kampfsport, der Stärkere gewinnt. Entsprechend sind die Reaktionen.
Deshalb glaube ich, dass es zum Beispiel Politiker einfacher haben, wenn sie sich als Homosexuelle outen: Sie haben immer direkten Kontakt zu Menschen. Sie treten einer Presse gegenüber, die die Gebote von Anstand und Fairness kennt, meistens jedenfalls. Und sie sind nicht drei Mal die Woche der Masse eines Stadionovals ausgeliefert.
Im Stadion geht es nicht politisch korrekt zu. Die Fans suchen sich jede Schwäche des Gegners aus, um ihn anzugreifen, notfalls zu diffamieren, wenn sie nur glauben, das eigene Team damit zu stärken - auch wenn das manchmal jenseitig ist. Harald Schmidt verglich in seiner Show vor vielen Jahren das Auftreten von Oliver Kahn mit einem Affen. Die Folge war, dass Oli bei Auswärtsspielen jahrelang Bananen nachgeschmissen wurden.
Was den Zuschauern alles einfallen würde, um einen schwulen Fußballer aus der
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