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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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Landsleute zu bekämpfen, und Opfer einer Flüsterkampagne seiner Feinde am Königshof, verließ Du Guesclin die Bretagne, um einen Feldzug gegen die Kompanien in der Auvergne anzuführen. Dort erkrankte er bei der Belagerung einer Burg und starb im Juli 1380. Während er mit Ehren, »als wäre er eines Königs Sohn«, in St. Denis bestattet wurde, war eine neue Expeditionsarmee unter Buckingham bereits auf See. Der Feind stand vor der Tür, die Unruhen in der Bretagne und in Flandern hielten an – und Frankreich hatte seinen Constable verloren. [Ref 279]
    Bei den sofort einberufenen Ratsverhandlungen waren Coucy und Clisson die führenden Kandidaten für die Nachfolge. Aufgrund seines »großen Rufes«, den er sich in der Normandie erworben hatte, und der »großen Gunst« des Königs wurde Coucy das Amt angetragen, die höchste und lukrativste staatliche Stellung des Königreichs.
    Als militärischer Oberbefehlshaber stand der Constable im
Rang noch über den königlichen Prinzen; ein Angriff auf seine Person galt als lèse majesté. Er war für die Gesamtheit der Streitkräfte verantwortlich und, wenn der König nicht selbst ins Feld zog, für den taktischen Einsatz. Da er Aushebung, Aufstellung, Versorgung und alle Vorbereitungen auf den Krieg kontrollierte, waren seine Möglichkeiten, sich zu bereichern, immens.
    Aus Gründen, die rätselhaft geblieben sind, lehnte Coucy die Ernennung ab. Die Begründung, die er dem König gab, war, daß man einen Bretonen brauche, um die Bretagne zu halten, jemand, der den Bretonen wohlbekannt sei, weshalb Coucy dem König die Ernennung von Clisson anriet. Diese Entschuldigung klingt in sich wenig überzeugend. Sicherlich war die Bretagne ein zentrales Problem; nichtsdestoweniger war, wenn eine Einigung mit Montfort angestrebt wurde, Coucy der geeignetere Mann. Er war Montforts früherer Schwager, während Clisson und Montfort als Todfeinde galten. Coucy und Montfort waren beide mit Töchtern Eduards III. verheiratet gewesen, und obwohl beide Frauen gestorben waren, hatte die verwandtschaftliche Beziehung im Mittelalter große Bedeutung. [Ref 280]
    In Coucys Erklärung fehlt irgend etwas. Es ist unwahrscheinlich, daß er aus einem Gefühl mangelnder Befähigung wie Dantes Papst »die großartige Ablehnung« aussprach. Bescheidenheit war sicher keine Eigenheit der Coucys, und Enguerrand VII., nach seinen Siegeln und seinem Kronenorden zu urteilen, schätzte sich selbst sehr hoch ein. Ohne Zögern nahm er alle anderen Ernennungen an: das Kommando in Feldzügen und Kriegen auf ausländischem Boden, diplomatische und geheime Missionen, Gouverneursämter in der Heimat – schließlich auch die Ernennung, die ihn das Leben kosten sollte. Er war einer jener französischen Adligen, die das komplizierter werdende öffentliche Leben zwang, Staatsmänner zu sein und nicht einfach mehr Schwertträger zu Pferd. Coucys Rang, Fähigkeit und territoriale Bedeutung hätten ihn in jedem Fall für den militärischen Oberbefehl prädestiniert, aber andere Talente machten ihn der Krone unentbehrlich. Intelligenz, Takt, Rhetorik und eitle, bemerkenswerte Abgeklärtheit wurden allmählich nützlicher als die traditionelle, gedankenlose Angriffslust des Ritters in eiserner Hülle.

    Warum dann lehnte er das Amt des Constable ab? Die Tatsache, daß auch der Marschall Sancerre, dem es als nächstem angeboten wurde, ablehnte, weist auf ein vielleicht beiden Männern gemeinsames Motiv, unter Umständen in Zusammenhang mit der erschütterten Gesundheit des Königs. Karl V. hatte zu diesem Zeitpunkt nur noch zwei Monate zu leben, und der Schatten des Todes mag bereits sichtbar auf ihm gelegen haben. Da der Dauphin noch minderjährig war und angesichts dreier raffgieriger, ehrgeiziger und untereinander verfeindeter Brüder des Königs, die miteinander um die Regentschaft konkurrierten, mag das Amt des Constable als politisch gefährlich erschienen sein. Coucy konnte mit seiner Übernahme mehr verlieren als gewinnen. Im Gegensatz zu Clisson, der den Posten übernehmen sollte, vermied er es, sich Feinde zu machen, überdies brauchte er mit seinem großen Besitz und seiner Abstammung kein Amt, um Macht und Stellung zu gewinnen. [Ref 281]
    Nach seiner Ablehnung ernannte der König ihn zum Generalhauptmann der Picardie und übergab ihm die Stadt, Burg und Herrschaft von Mortaigne an der nördlichen Grenze zwischen Tournai und Valenciennes, um sicherzugehen, daß dieser Vorposten in starken Händen war. Er wurde

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