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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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der Stadt fast alle Strafen erließ. Die ganze Aufführung hatte nur demonstrativen Charakter gehabt. Ein Brief Karls V. an den Kardinal, der bereits vor zwei Monaten geschrieben worden war, hatte die Absicht des Königs, gnädig zu sein, ausgedrückt, aber die Macht der Krone zu strafen mußte zumindest symbolisch gezeigt werden.
    Die Ereignisse in Languedoc hatten nur ein weitreichendes Ergebnis: Dadurch, daß sie das Elend seiner Untertanen aufwiesen, hinterließen sie beim König ein schlechtes Gewissen, das im Mittelalter zumindest auf dem Totenbett meist Wirkung zeigte. Im Bewußtsein der Raffgier und der Tyrannei seines Bruders und des Hasses, den dieser auf die Krone lenkte, reduzierte Karl die Haushaltssteuer und berief den Herzog von Anjou als Gouverneur ab.
Unglücklicherweise war sein Nachfolger – nach einem kurzen Zwischenspiel unter Du Guesclin – der Herzog von Berry, dessen Herrschaftszeit reiner, von keiner politischen Zielsetzung getrübter Habsucht sich als noch ruinöser erwies als die seines Bruders.
     
    Im April 1379 machten sich Coucy und Rivière mit einigen neuen Gefährten erneut auf die Suche nach dem Frieden zwischen Frankreich und England. Die Verhandlungen fanden in Boulogne statt. Sie waren ermächtigt, neue Zugeständnisse in Territorial- und Souveränitätsfragen zu machen und wiederum eine Heirat anzubieten; diesmal ging es um Karls V. kleine Tochter Catherine, an deren Verbindung mit Richard II. gedacht war. Bei sechs langwierigen Friedensverhandlungen in den letzten sechs Jahren hatte sich der Friede allen Bemühungen entzogen. In der gleichen Zeit hatte der Krieg mit der Ausnahme des französischen Erfolgs in der Normandie keiner Seite einen Vorteil gebracht, sondern es lediglich durch die Verfestigung von Feindschaft, Mißtrauen und Haß schwerer gemacht, ihn zu beenden. [Ref 277]
    Die Engländer kamen mit ambivalenten Absichten zu den Friedensverhandlungen, teils um zu sehen, was die Diplomatie ihnen einbringen könnte, teils um Zeit zu gewinnen, während sie einen neuen Angriff vorbereiteten. Montforts Aufstand hatte ihnen neue Möglichkeiten eröffnet, wieder in Frankreich einzudringen und die Territorien zurückzugewinnen, die sie als die ihren betrachteten. Seit Karls Annullierung des Vertrags von Brétigny und den Niederlagen, die darauf folgten, haßten sie die Franzosen, da diese sie, wie sie es sahen, hinterhältig und vertragsbrüchig um ihren legitimen Besitz gebracht hatten. In der Verteidigung ihrer Landsleute mochten sie eher halbherzig sein, aber was Kriegszüge auf dem Kontinent betraf, wo Plünderungen und Beute winkten, gab es keinen Mangel an Kampfeswillen, nur Mangel an Geld. Da alle anderen Mittel erschöpft waren, trieb man das Geld für eine Expedition in die Bretagne über eine neue Kopfsteuer ein, die so angelegt war, daß sie auch die Geistlichkeit und die ärmere Bauernschaft erfaßte. Das Aufkommen wurde in dem üblichen großzügigen Umgang mit Zahlen zunächst auf 50000 Pfund geschätzt, tatsächlich brachte die neue Besteuerung nur 20000 Pfund ein, die
ganz in eine Flotte unter dem Befehl von Sir John Arundel gesteckt wurden.
    Der Aufbruch verzögerte sich durch ungünstige Winde bis in den Winter hinein, und da ein französischer Überfall drohte, verlegte Arundel einen Teil seiner Streitkräfte nach Southampton, um es gegen eine Landung des Feindes abzusichern. Seine Truppen führten sich dort aber in einer Weise auf, die sie von französischen Invasoren kaum noch unterscheidbar machte. Arundel ließ es nicht nur zu, daß seine Leute das Land ausplünderten, er erlaubte auch, daß seine Reiter und Bogenschützen sich in einem Konvent einquartierten, willkürlich Nonnen vergewaltigten und sie auf die Schiffe verschleppten, als die Flotte absegelte. Arundel war der Mann, der von den Städten der Südküste Geld auf die Hand verlangt hatte, wenn sie verteidigt werden wollten. Wenn man dem Chronisten Walsingham glauben kann, gebrauchte er das Geld für einen persönlichen Luxus, der ebenso übersteigert war wie seine Brutalität. Angeblich ging er mit einer Garderobe von 52 goldbestickten Anzügen und Pferden und Ausrüstung im Wett von 7000 Pfund an Bord. [Ref 278]
    Als er mit seinen Schiffen im Dezember absegelte, wurde sein Konvoi von schwerem Wetter überrascht. Im Chaos des Sturms befahl er, die entführten Frauen über Bord zu werfen, um die Schiffe zu entlasten, mißhandelte die Mannschaft und scheiterte, nachdem er den Lotsen

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