Der ferne Spiegel
einem Fall, einem Gefecht zu Pferd und zu Fuß, das eine Stunde dauerte, nahmen die Engländer achtzehn Gefangene von einer französischen Gruppe von dreißig; in einem anderen Fall flohen die Franzosen, als sie sahen, daß der Feind stärker war. Eine andere Gruppe von dreißig Engländern, »die nach Gelegenheit für eine Waffentat suchten«, kehrte enttäuscht um, als ihnen eine Gruppe hoher französischer Herren entkam. »Gott«, riefen sie, »welche Vermögen wären unser gewesen, wenn wir sie gefangengenommen hätten, denn sie hätten uns 40000 Franken gezahlt.« [Ref 283]
Als das Land ausgeplündert war, verlangten die Engländer Lebensmittel von den Städten und drohten mit Belagerung, falls ihrer Forderung nicht entsprochen würde. Als Reims in der Sicherheit seiner Mauern ablehnte, rächten sie sich, indem sie sechzig Dörfer der Umgebung niederbrannten. Als die Engländer einige tausend Schafe entdeckten, die in Gräben außerhalb der Stadtmauern getrieben worden waren, schickten sie Männer aus, die sie unter der Deckung von Bogenschützen heraustrieben. Die schossen so genau, daß die Verteidiger von Reims nicht wagten, auch nur auf den Mauern zu erscheinen. Mit der erneuten Drohung der Engländer
konfrontiert, die Felder mit reifem Korn zu verbrennen, lieferten die Bürger ihnen nun sechzehn Wagenladungen Brot und Wein.
Auf diese Weise rückte Buckingham bis nach Burgund vor, wo sich zweitausend französische Ritter und Knappen versammelt hatten, die bereit waren, ohne Rücksicht auf den Befehl des Königs den Kampf aufzunehmen. Die führenden Adligen des Königreiches – der Herzog von Bourbon, Coucy, der Herzog von Bar, der Graf von Eu, der Admiral Jean de Vienne – hatten sich unter dem Oberbefehl von Philipp dem Kühnen, dem Herzog von Burgund, zusammengefunden. Von Kopf bis Fuß gerüstet und mit der Streitaxt in der Hand inspizierte der Herzog in kriegerischer Entschlossenheit die Truppen. Nach wie vor hatte der König die offene Feldschlacht untersagt, es sei denn, die Franzosen befänden sich in eindeutiger Überzahl. Der Herzog wagte es nicht, dem Wunsch des Königs offen zu trotzen, aber alle Zurückhaltung war dahin, als in einem Handgemenge ein englischer Knappe getötet wurde. Auf eine Herausforderung zum Zweikampf hin ritt eine Gruppe von Rittern, unter ihnen Coucy, vor die Tore von Troyes und kämpfte mit einer gleich starken Gruppe von englischen Rittern. Der Ausgang blieb unentschieden, Buckingham marschierte weiter, die Franzosen folgten ihm. Sie baten den König eindringlich, den Feind nicht entkommen zu lassen, aber Karl antwortete lediglich: »Laßt sie in Ruhe; sie werden sich selbst zerstören.«
An der Loire hatten die Franzosen ein Heer versammelt, das den Engländern an Zahl überlegen war. Coucy und seine Begleiter waren entschlossen, »ob der König wollte oder nicht«, die offene Schlacht zu suchen, bevor die Engländer die Sarthe überquerten und in die Bretagne einmarschieren konnten. Inzwischen hatte Karl, der verhandelte, während die Armeen marschierten, die Stadt Nantes überredet, die Engländer nicht einzulassen und ihre Loyalität zu Frankreich zu erklären, ohne Montfort zu fragen. In der ersten Septemberwoche überschritten die Engländer die Sarthe, und in derselben Woche trat Karls Krankheit in ihr letztes Stadium. Die Absonderungen von dem Abszeß an seinem rechten Arm hörten auf und kündigten, wie ihm prophezeit worden war, den Tod an. Die Ärzte und der Patient fügten sich diesem Zeichen. Auf einer
Bahre in sein Lieblingsschloß von Beauté an der Marne geschafft, rief Karl seine Brüder und seinen Schwager herbei – mit der Ausnahme des Herzogs von Anjou, den er der königlichen Schatzkammer fernzuhalten hoffte – und bereitete die letzten Anstalten für den Übergang seiner Seele vor.
Philipp der Kühne eilte nach Paris, desgleichen Coucy in seiner Eigenschaft als Mitglied des Regentschaftsrates. Der Herzog von Anjou, der sich über die Ereignisse in Paris auf dem laufenden halten ließ, reiste ebenfalls schleunigst aus Languedoc an, ob erwünscht oder nicht. [Ref 284]
Der König litt in seinen letzten Tagen körperliche Schmerzen, aber schwerer war seine geistige Qual. Zwei Dinge lasteten auf seinem Gewissen: sein Anteil am Schisma und die fragwürdige Legalität seiner Besteuerungsmaßnahmen. Er hatte die an sich zeitgebundenen Beiträge der Stände auf zehn Jahre kontinuierlicher Besteuerung ausgedehnt, und obwohl er die Einkünfte für die
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