Der Fetisch-Mörder
leichter, ihn als mentalen Punchingball zu benutzen. Eine hilfreiche Therapie.
»Und … eins!«, begann die Trainerin.
»Neiiin!«, schrie Makedde. Sie ließ ihre flache Hand gegen Stanleys Kehle vorschnellen, stieß ihre langen Fingernägel in seine unheimlichen hellblauen Augen, packte mit beiden Händen seinen dicken Kopf und riss ihn mit aller Kraft herunter auf ihr hochschnellendes Knie. Sie konnte regelrecht spüren, wie sein Gesicht abprallte und sein Körper auf den Boden der Trainingshalle krachte. Als Nächstes würde sie seinem Kopf einen Tritt verpassen und auf ihm herumtrampeln und …
Makedde registrierte, dass die anderen sie anstarrten.
Hanna lächelte. »Viel besser. Und jetzt mit dem Sandsack.« Sie reichte einer der anderen Teilnehmerinnen den großen quadratischen Sandsack, die die Hände durch die an der Rückseite angebrachten Haltegriffe schob und ihn sich seitlich an ihre Hüfte hielt.
»Okay, Makedde. Ich will zehn Schläge sehen – in zehn Sekunden, und jeder Schlag an einer anderen Stelle. Und nicht wie ein Waschlappen zuschlagen. Fertig – und … eins!«
Makedde sah den grinsenden Stanley, wie er ihr mit seinem zerzausten braunen Haar und halb offener Hose mit offenem Schnappmesser den Weg nach draußen versperrte.
»EINS!«, schrie Makedde und trat Stanley mit voller Wucht in die Eier. »ZWEI!« Sie rammte ihm das Knie in den Leib. »DREI!« Ein Schlag mit der Handfläche gegen die Kehle. »VIER!« Sie stieß ihm die Finger in die Augen. »FÜNF!« Sie riss seinen Kopf herunter und rammte ihn in ihr rechtes Knie. »SECHS!« Ein Kopftreffer mit dem rechten Ellbogen. »SIEBEN!« Der gleiche Schlag mit dem linken Ellbogen. »ACHT!« Ellbogenrückschlag. »NEUN!« Mit voller Wucht mit der Faust in die Leistengegend. »ZEHN!« ZERQUETSCH IHM DIE HODEN!
Als sie fertig war, hörte sie auf zu schreien, trat einen Schritt zurück und schnappte nach Luft. Schweißperlen tropften von ihrem Kinn auf ihr T-Shirt. Diesmal starrte sogar Hanna sie wortlos an. Nach einem Moment des Schweigens fragte jemand: »Hast du schon mal Selbstverteidigungsstunden genommen?«
»Nein«, erwiderte Makedde ein wenig verlegen. »Ich habe einfach nur eine ziemliche Wut im Bauch.«
Um halb sechs war Makedde wieder in ihrer Wohnung und warf sich, immer noch schweißgebadet, in ihren Sportsachen aufs Bett. Als das Telefon klingelte, ließ sie den Anrufbeantworter anspringen.
»Hallo, Sweetie, ich bin’s, Loulou«, hallte es nach dem Piepton durchs Zimmer. »War toll, dich gestern mal wieder gesehen zu haben. Kannst du das mit Becky Ross’ Verschwinden glauben? Es geht das Gerücht um, dass sie mit diesem Rugbyspieler durchgebrannt ist, aber die Polizei befürchtet ein Verbrechen. Im Ernst! Dieser Typ ist ja so furchtbar … Ach, was fasele ich da wieder für ein Zeug. Ruf mich an.«
Makedde musste lächeln. Loulou war eine unverbesserliche Klatschbase. Becky Ross’ Verschwinden? Sie musste sich gleich nach der Modepräsentation davongemacht haben. Klang ganz nach einem weiteren Werbegag. Vielleicht hätte Mak einen Blick in die Zeitungen werfen sollen; bestimmt gab es irgendwo einen Artikel über die Präsentation mit ein paar ironischen Kommentaren über Beckys neues Betätigungsfeld. Sie würde Loulou am nächsten Morgen anrufen. Bestimmt würde sie ganz scharf darauf sein, etwas über ihr geheimes Date herauszufinden.
Um sieben Uhr ist er hier, sagte sich Mak zum hundertsten Mal. Der Gedanke an sein Erscheinen trieb sie wieder auf ihre müden Füße und in die winzige Badewanne. Die Wanne war nicht besonders tief und viel zu kurz, so dass sie nicht hineinpasste, doch sie badete trotzdem, indem sie sich aus einem übergroßen Messbecher mit warmem Wasser übergoss und ein paar Tröpfchen duftendes Vanilleöl hinzugab. Anschließend rasierte sie ihre senkrecht aus der Wanne ragenden langen Beine von den Knöcheln bis zu den Oberschenkeln, wobei sie sorgfältig darauf achtete, sich nicht wieder zu schneiden. Als sie fertig war, fuhr sie sich mit der Hand über die Beine, stellte zufrieden fest, dass sie makellos glatt waren, und begann mit einer sorgfältigen Pediküre. Sie lackierte sich die Zehennägel in ›French Nude‹, wie der Farbton hieß, und hielt die Zehen zum Trocknen in die Luft, bis ihre Füße aufgrund der mangelnden Durchblutung zu kribbeln anfingen. Da sie Stiefel tragen würde, würde man ihre Zehen ohnehin nicht sehen, doch es tat ihr wohl, sich ein wenig zu verwöhnen.
Sie
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