Der Feuergott der Marranen
dachte Ann. Selbst Elli hat von den riesigen Adlern, dem Königreich
der Füchse und den Kaninchenbäumen nichts gehört, obwohl sie doch dreimal hier war.’
„Warum seid Ihr denn auf die Jagd gegangen, wo in Eurem Lande doch so herrliche
Bäume wachsen?” wollte das Mädchen wissen.
„Ihre Früchte sind schmackhaft”, erwiderte Nasefein, „aber wir überlassen sie dem
einfachen Volk. Soll ich etwa dasselbe essen, was der Ackerbauer und Tagelöhner ißt?
Pfui!” Der König verzog angewidert das Gesicht. „Und die Lust, einen Hasen zu
zerfleischen!” Nasefeins Augen glänzten gierig. „Bei uns darf nur die königliche
Familie jagen. Den einfachen Leuten ist die Jagd unter Todesstrafe verboten.”
Jetzt bereute Ann fast, daß. sie den König aus dem Fangeisen befreit hatte. Aber,’ dachte
sie, wenn er umgekommen wäre, hätte sein Nachfolger . die Regierung des Landes
übernommen, und im Königreich der Füchse hätte sich nichts geändert.`
Eine Frage des Königs lenkte Ann von ihren Gedanken ab:
„Was sind das für Tiere, auf denen wir reiten? Ich war in vielen Teilen unseres Landes,
aber solche Tiere habe ich nirgends gesehen.”
„Die gibt es sogar auf der anderen Seite der Berge nicht”, sagte Ann.
Sie versuchte, dem König zu erklären, wie die mechanischen Maultiere funktionierten,
aber da sie es selbst nicht genau wußte, blieben ihre Erklärungen unverstanden. Der
König . begriff nur eins: daß die sogenannten Maultiere sich von Sonnenstrahlen
ernähren. Und das wunderte ihn nicht sehr.
,Ein jeder ißt, was er kann`, dachte er bei sich. Unser gemeines Volk ißt die Früchte des
Kaninchenbaums, unsre Adligen ernähren sich von Kaninchen und Hasen, die mechanischen Maultiere - von Sonnenstrahlen. Aber Hasenfleisch schmeckt doch am
besten!`
EIN KOSTBARER TALISMAN
Das Land der Füchse war sehr groß, und die Maultiere brauchten gut zwei Stunden, bis
sie die Hauptstadt erreichten.
Fuchsstadt bestand aus zahllosen Hügeln, die eine breite Straße säumten. Es war leicht
zu erkennen, daß es künstliche Baue waren, doch wer sie geschaffen hatte - ob Füchse
in alten Zeiten oder sonst jemand -,das konnte selbst König Nasefein nicht sagen.
In jedem Hügel waren viele Öffnungen zu sehen. Sie bildeten die Eingänge zu den
Fuchsbauen. Davor tummelten sich braune und silbergraue kleine Füchse.
König Nasefein erklärte:
„Unser Volk besteht aus zwei Stämmen, einem mit braunem und einem mit
silbergrauem Pelz. In alten Zeiten lebten diese Stämme getrennt und befehdeten sich.
Aber vor hundert Jahren schlossen sie sich zusammen und siedelten in diese Gegend
über, wo sie die Hügel vorfanden, die für Baue wie geschaffen waren. Von jener Zeit
rührt der Brauch her, daß ein König aus dem braunen Stamm seine Gattin unbedingt aus
dem Stamm der Silberfüchse nimmt. Und umgekehrt: Wenn der König ein Silberfuchs
ist, muß die Königin eine braune Füchsin sein.”
Die Kinder hörten nur zerstreut zu, denn ihre Aufmerksamkeit -galt dem Treiben in
Fuchsstadt, wo es wirklich viel Merkwürdiges gab. Hinter den Hügeln zogen sich
Plantagen mit den Bäumen hin, von denen Nasefein erzählt hatte. An den Zweigen
hingen große längliche Früchte mit dicker Schale. Da und dort löste sich eine reife
Frucht und fiel zu Boden. Beim Aufschlag platzte die Schale, und das appetitliche rosa
Fleisch kam zum Vorschein.
Den abgefallenen Früchten näherten sich auf den Hinterbeinen Füchse, die sie mit den
Vorderpfoten aufhoben und in Vorratslager trugen.
Alle Plantagenarbeiter gingen auf den Hinterbeinen. Die einen lockerten mit spitzen
Stöcken den Boden zwischen den Bäumen auf, andere trugen in großen Nußschalen
Wasser zum Gießen, dritte klaubten schädliche Insekten und Larven aus den Ritzen der
Rinde heraus. Auf allen vieren liefen nur die jungen Füchse, die Handlangerdienste
versahen.
Unseren Reisenden fiel eine seltsame Prozession auf. Vier Füchse trugen eine mit Seide
ausgeschlagene schmucke Sänfte, in der eine Silberfüchsin saß. Die Füchsin und der
König tauschten Verbeugungen aus.
„Das ist meine Tante, Prinzessin Spitzohr. Sie macht gerade ihre Besuchsrunde”, sagte
der König zu Tim.
Ann fragte:
„Fertigen Eure Handwerker so schöne Dinge an?” „Leider nicht”, erwiderte Nasefein.
„Unsere Ahnen haben solche Luxusgegenstände für Früchte der Kaninchenbäume bei
den Menschen erworben.”
„Treibt ihr auch heute Handel?”
„O nein”, erwiderte der König
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