Der Feuerstein
stößt.
Würziger Rauch rankt sich um meinen Kopf und lenkt meine Aufmerksamkeit auf einen Altar aus Stein, auf dem zahllose Kerzen stehen, unterschiedlich tief heruntergebrannt und teilweise geschmolzen. Der Rauch und das Licht lassen mich blinzeln.
»Da habt ihr mir schon wieder so eine Wilde gebracht«, sagt dieselbe Stimme abfällig. Sie klingt so tief und kalt wie
das Eis in meinem Bauch. »Wieso habt ihr sie nicht einfach getötet?«
Der vierschrötige Mann, der rechts neben mir steht, verneigt sich. »Vergib mir, Herr. Ich fand es seltsam, dass sich eine Frau, die offensichtlich keine Kämpferin ist, in dieser Höhle über dem Lager verbirgt. Aber wenn ich sie wegbringen soll, damit sie dir keine Unannehmlichkeiten mehr macht …«
»Keine Kämpferin, so?« Eine Gestalt nähert sich. Sie ist mittelgroß, etwa so wie ich, dünn wie der Stamm einer Kokospalme und in weiße Roben gehüllt, die blendend schimmern wie Quarz. Das Gesicht ist blass und glatt, als hätte ein Bildhauer es mit einem künstlerischen Blick für Schönheit erschaffen. Ein langer Zopf aus weißem Haar ringelt sich über die Schulter wie eine Schlange. Nein, nicht weiß, sondern hellblond, so hell wie der innerste Rand der Sonne, wenn sie aufgeht. Am meisten aber beunruhigen mich die Augen. Noch nie habe ich solche Augen gesehen, denn sie sind blau, blau wie mein Feuerstein. Wie kann dieser Mann damit sehen?
Er beugt sich vor, bis seine gedunsenen Lippen nur noch eine Handbreit von meiner Stirn entfernt sind. »Du bist ja ein weiches kleines Ding. Bist du eine Kriegerin?«
Ist das die Katze? Vielleicht ein Animagus? Ist das einer von denen, die das Fleisch meines Volkes versengt haben? Die das Land meines Vaters und meines Ehemannes in den Krieg zwingen? Während ich in diese unnatürlichen Augen starre, glimmt ein Funke in meinem Bauch auf. Etwas, das sich ganz anders anfühlt als der Stein, der sich dort befindet. Mein ganzer Körper beginnt davon zu erzittern. Schließlich begreife ich, dass es Wut ist, die ich empfinde.
Mit zusammengekniffenen Augen erkläre ich laut und deutlich in der Lengua Plebeya: »Es tut mir leid, aber ich verstehe kein Wort von dem, was du sagst.«
Einen Augenblick sieht er mir prüfend ins Gesicht, dann blitzen seine Augen wild und gefährlich auf, er dreht sich um und entfernt sich geschmeidig. Seine Bewegungen lassen mir Schauer über den Rücken laufen – sie sind ebenso mühelos und leicht wie der Rauch, der uns umschlingt.
Er nimmt sich einen Weinschlauch von einem hölzernen Gestell neben dem hell erleuchteten Altar und gießt eine schimmernde dunkelrote Flüssigkeit in einen Kelch aus gebranntem Ton. Wein, hoffe ich. Während er einen Schluck nimmt, betrachtet er uns nachdenklich über die Schulter hinweg. »Die drei, die entflohen sind, konntet ihr nicht erwischen?« , fragt er.
»Nein, Herr«, sagt der vierschrötige Mann.
Wieder trinkt er einen Schluck. Dann streckt er die freie Hand aus und schnippt verärgert und wie nebenbei mit den Fingern. Die Männer neben mir erstarren. Ich sehe sie voller Entsetzen an, wie sie keuchen und nach Luft ringen, ohne sich bewegen zu können. Das ist Hexerei, so viel wird mir klar, und mein Feuerstein flammt angesichts dieser Erkenntnis auf.
Der blauäugige Mann funkelt mich an. »Du bewegst dich noch!«, stößt er hervor. Wieder schnippt er mit den Fingern. Offenbar erwartet er, dass ich mich nicht mehr rühren kann, dass ich gelähmt bin wie die anderen. Also halte ich still, ganz still, obwohl die Wut noch immer meine Haut prickeln lässt. Ich höre Alodias Stimme in meinem Kopf. Manchmal ist es das Beste, pflegte sie selbstzufrieden zu sagen, wenn man seinen Gegner glauben lässt, er hätte alles unter Kontrolle.
»Wenn wir sie bis morgen nicht gefunden haben, dann werden sie nicht mehr in unsere Reichweite sein«, sagt er.
Mein Verstand stolpert über seine Worte. Die drei, die entflohen sind … Aber ich habe vier Reisegefährten. Vielleicht ist schon einer von ihnen hier in diesem Lager, gefangen wie ich. Oder tot. Es ist schwer, die Lähmung glaubhaft vorzuspielen, während ich an Humberto denke, während ich mir vorstelle, wie er mit dem Gesicht nach unten auf den Felsen liegt und ein Speer aus seinem Rücken ragt oder vielleicht auch ein Pfeil. Ein Muskel zuckt auf meiner Wange.
»Findet die anderen«, sagt der blauäugige Mann, dessen Stimme nun ganz ruhig und gelassen klingt. Er schnippt wieder mit den Fingern, und die Männer
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