Der Feuerstein
daran dächten, dadurch gewöhnlich und vergänglich würde. Es ist kein Kuss, der zu einem glücklichen Ende führen könnte, und mir wäre es lieber, ihn wie einen Traum in meiner Erinnerung zu behalten, voller Möglichkeiten.
»Elisa, es tut mir leid.«
Mein Kopf fährt herum, und ich betrachte sein Profil. »Warum?«
»Ich dachte …« Sein Blick wandert zum Himmel, und er holt tief Luft. »Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen. Ich hatte Angst und war so traurig und … und ich hatte so sehr den Wunsch, dich zu küssen. Deswegen habe ich so dumm reagiert. Ich verspreche dir, dass ich mich dir gegenüber nie wieder so … unangemessen verhalten werde.«
So hatte ich mir dieses Gespräch nun gar nicht vorgestellt. Mühsam presse ich die Lippen zusammen und versuche nicht zu weinen. »Bereust du es?«, bringe ich flüsternd heraus.
Ein halbes Lächeln kräuselt seine Lippen. »Nein. Ich meine, ja. Ich meine …«
»Ich weiß nicht, ob ich wirklich mit Alejandro verheiratet sein will.«
Nun dreht er den Kopf, und ich zucke zusammen, ebenso
erschreckt von meinen eigenen Worten wie von seiner ruckartigen Bewegung. Aber dann erkenne ich, dass es wahr ist, und mein Herz klopft in wilder Panik. Alejandro ist zwar der schönste Mann, der mir je begegnet ist. Aber das allein genügt nicht.
»Was meinst du damit?«, fragt Humberto leise, und die Hoffnung, die in seinen Augen steht, schnürt mir die Kehle zu.
»Ich muss mit ihm verheiratet sein. Schon allein der Versprechen wegen, die ich den Malficio gegeben habe. Nur als Alejandros Frau kann ich sie halten, aber …«
»Aber was?«
Die Wahrheit ist schwer und erdrückend. »Er liebt mich nicht. Am Anfang habe ich mir gewünscht, er würde mich irgendwann lieben lernen. Aber seit ich weg bin … ich glaube, ich hege keinen großen Respekt für ihn.« Nicht so sehr wie für dich. »Er sieht gut aus und er ist charmant. Aber er kann sehr unentschlossen sein.« Ich muss daran denken, wie er sich geweigert hat, mich als seine Frau anzuerkennen, wie er Rosario vernachlässigt hat und nicht einmal zu seiner Geliebten steht. »Und manchmal ist er unfreundlich und gedankenlos.«
Humbertos Blick senkt sich in meine Augen. Ich liebe seine Gesichtszüge – so stolz und stark. So gern würde ich die Linien seines stoppeligen Kinns mit meinen Fingerspitzen nachzeichnen. Meine Lippen öffnen sich.
»Elisa«, flüstert er.
Ich beuge mich zu ihm. Meine Lippen prickeln, und mein Herz klopft.
»Ich werde dich nicht noch einmal küssen«, sagt er.
Hastig klappe ich den Mund wieder zu.
»Nicht, dass ich das nicht gern täte, weißt du«, fügt er mit einem schiefen Grinsen hinzu, und dann richtet er den Blick wieder auf die Wüstenlandschaft. Eine Weile bleibt er stumm. Dann sagt er: »Du bist der tapferste Mensch, den ich kenne. Und klug. Und …« Unschlüssig bewegt er die Füße hin und her. »Und schön. Der König ist ein Narr, dass er dich nicht liebt.«
Mein nächster Atemzug klingt wie ein Schluchzer. Ich sollte seine Worte lachend abtun oder mich für sie bedanken, doch meine Kehle lässt nichts von beidem zu.
Stattdessen betrachte nun auch ich intensiv das karge Land, die trockenen Pflanzen und die gelegentlich hin und her huschenden Eidechsen. Lange Zeit sitzen wir nebeneinander, unsere Schultern berühren sich kaum, und sehen dabei zu, wie die Sonne das Land in Korallenrot und Rosa taucht, als sie schließlich hinter dem zerklüfteten Horizont verschwindet.
Es ist dämmrig und kühl, als Cosmé uns aufspürt.
»Belén ist bereit zu reden«, sagt sie.
Wir rappeln uns auf und folgen ihr zurück ins Dorf. Humberto sagt nichts weiter zu mir, sieht nicht einmal in meine Richtung. Aber als wir nebeneinander hergehen, streift sein Arm den meinen, dann fühle ich seine Finger. Er nimmt meine Hand und drückt sie, viel zu kurz, dann lässt er wieder los. Meine Hand ist unerträglich kalt, als wir das Dorf erreichen.
Als Erstes wiederholt Belén seine Warnung. »Elisa, du musst gehen. Geh zurück nach Brisadulce. Oder noch besser, weit, weit weg. Irgendwohin, wo dich niemand vermutet.«
Humberto und Vater Alentín wechseln einen besorgten Blick, den ich bewusst übersehe. »Fang bitte ganz vorn an, Belén.« Ich versuche, mit sanfter Stimme zu sprechen. »Sag uns, wie die Inviernos herausgefunden haben, dass wir oben in der Höhle waren.« Inzwischen trägt Belén eine Augenklappe, sodass mir der Anblick des fehlenden Auges erspart bleibt.
Er
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