Der Feuerstein
verliert.
»Belén?«, flüstert Cosmé.
Er blinzelt, konzentriert sich wieder. »Sie wollten etwas über sie erfahren. Über die Trägerin.«
Humberto macht einen Schritt auf ihn zu und packt Belén unterm Kinn. »Was hast du ihnen erzählt?«
Belén lässt den Kopf schlaff sinken und verzieht das Gesicht. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.«
»Hast du ihnen von diesem Dorf erzählt? Von den Malficio?«
Eine Träne rinnt über Beléns Wange. »Ich weiß es nicht, Humberto! Ich glaube nicht. Mir ging nur eines durch den Kopf, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Einen schrecklichen Fehler.«
»Und dann bist du wunderbarerweise entkommen.« Das ist Jaciáns dunkle, gedehnte Stimme. Er spricht damit meine eigenen Ängste aus, dass nämlich Belén die Inviernos zu unserem Dorf geführt haben mag, vielleicht sogar mit voller Absicht.
»Oh nein, es war kein Wunder«, antwortet Belén. »Sie ließen mich entkommen. Und sie haben versucht, mir zu folgen.«
»Wie kannst du sicher sein, dass ihnen das nicht gelungen ist?«, frage ich.
Belén schließt die Augen und lehnt sich gegen die Höhlenwand.
»Tagelang bin ich im Kreis gegangen. Den Weg hierher habe ich erst eingeschlagen, als ich mir sicher war, dass sie meine Spur verloren hatten.«
»Du warst schwer verletzt«, sagt Jacián. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dir gelungen ist, sie zu täuschen.«
»Es war kein angenehmer Marsch«, erklärt Belén, das Auge noch immer geschlossen. »Aber ich habe sie abgehängt.« Das möchte ich ihm beinahe glauben, denn der junge Adán und seine Freunde haben keine Anzeichen lauernder Inviernos bemerkt. Mir selbst ist es gelungen, meine Verfolger abzuschütteln, obwohl ich so unerfahren und ungeschickt bin, und von daher weiß ich, dass es möglich ist. Und mein Rückweg aus ihrem Heerlager war auch nicht gerade angenehm.
»Diese zehn Feuersteine, von denen du gesprochen hast«, sagt Alentín. »Glaubst du wirklich, dass Invierne sie verwenden kann, um Magie auf die Welt loszulassen?«
»Die Inviernos glauben das jedenfalls. Sie glauben es mit aller Macht. Und jetzt suchen sie nach Elisa.«
Wir stellen noch viele andere Fragen, während Cosmé Belén bewacht wie eine misstrauische Katzenmutter ihr Junges, aber er kann uns wenig mehr verraten. Allerdings ist zu vermuten, dass sein Verrat mit dem Angebot des Conde nichts zu tun hat, und schließlich trennen wir uns, damit wir uns vor dem Reiseantritt morgen noch einmal ausschlafen können.
Es fällt mir schwer, mich vom Anblick von Beléns eingefallenen Wangen loszureißen, von den Brandwunden an Hals und Schulter, von den zitternden Armen und Beinen, und so bleibe ich noch einen Augenblick. Zwar habe ich ihn
nie so gut gekannt wie Humberto und Cosmé, aber trotzdem trauere ich um sein fröhliches Lächeln und um den entschlossenen Schritt, mit dem er die Wüste bezwang. Aber ich versuche, kein Mitleid zu empfinden. Wie er selbst zugegeben hat, ist er ein Verräter, auch wenn er vielleicht nur zögernd handelte und aus eigentümlichen Motiven. Wenn Alodia an meiner Stelle wäre, würde sie ihn hinrichten lassen.
Aber ich bin nicht meine Schwester.
Ich danke Cosmé dafür, dass sie sich um ihn kümmert, und sage Belén, er möge sich gut ausruhen, bevor ich meine Lagerstatt aufsuche. Lange liege ich wach, denke an Humberto und an Belén und frage mich, welchen geheimnisvollen Plan Invierne verfolgt. Kurz bevor ich in tiefen Schlaf falle, wird mir bewusst, dass ich das Abendessen ganz vergessen habe.
Es ist noch dunkel, und die Luft ist kühl, als Humberto mich weckt. Ich rolle meine Decken zusammen und schultere meinen Rucksack, dann folge ich ihm nach draußen. Im Osten weicht der schwarzblaue Himmel einem gelben Schimmer, der sich über den entfernten, düsteren Bergspitzen der Sierra Sangre erhebt. Mit finsterem Blick sehe ich zu den Bergen hinüber und muss an das riesige Heer denken, das in ihrem Schatten lagert.
Wir treten leise vor die Ziegelhütten. Der Erfolg unseres Plans, die Nahrungsmittel für Invierne zu sabotieren, hängt davon ab, dass wir die Stadt unentdeckt erreichen können. Der Bote, der die Nachricht des Conde gebracht hat, darf daher nichts von unserer Abreise erfahren, damit er auf keinen Fall jemanden in Basajuan darüber in Kenntnis setzen kann. Adán und die anderen haben den Auftrag bekommen, ihn
zu beschäftigen und abzulenken, im schlimmsten Fall auch festzusetzen, damit wir ein paar Tage Vorsprung haben.
Ein
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