Der Feuerstein
leises Wiehern begrüßt uns, als wir den Tafelberg umrunden. Jacián wartet schon auf uns und hält zwei Pferde am Zügel, die in der Dunkelheit riesenhaft und farblos wirken. Erschreckt weiche ich zurück, als eines den großen Kopf schüttelt und das metallene Zaumzeug klappert.
»Pferde?«, flüstere ich an Humberto gewandt, leichte Panik schwingt in meiner Stimme mit. »Ich dachte, wir wollten mit Kamelen reisen.«
Mein Gesicht brennt, als ich sein leises, glucksendes Lachen höre. »Pferde sind schneller. Und wir begeben uns nicht so tief in die Wüste hinein, dass wir Kamele brauchen würden. Keine Sorge. Wir werden dich nicht zwingen, eines zu reiten.«
Erleichtert seufze ich auf und halte vorsichtig Abstand.
Die anderen kommen leise zu zweit oder dritt heran, und es dauert nicht lange, dann ist unsere kleine Reisegruppe komplett. Jacián führt uns, als wir mit schnellem Schritt nach Westen marschieren. Wir zählen zehn, darunter die stille Cosmé und die hochgewachsene Mara. Ich lege meine Fingerspitzen auf den Feuerstein und bete, dass diese Reise kein so schlimmes Ende haben wird wie meine letzte.
Nach einiger Zeit wenden wir uns nordwärts und nutzen das flache Terrain für einen gleichmäßigen Schritt, der uns schnell voranbringt. Erfreut stelle ich fest, dass meine Beine sich jetzt ganz mühelos bewegen. Meine Knöchel tun mir nicht weh, meine Lungen brennen nicht, die Haut an meinen Schenkeln bleibt weich und wird nicht wund gerieben.
Die Pferde gestatten uns, eine größere Auswahl an Nahrungsmitteln mitzunehmen, als wir auf der letzten Reise zur Verfügung hatten. Jeden Abend kocht Mara für uns alle, und bei ihr wechseln sich Fladenbrot und leicht eingekochtes Dörrfleisch immer wieder mit frisch gefangenem Kaninchen oder wildem Truthahn ab. Sie hat sogar eine Tasche mit Gewürzen mitgebracht, die sie hervorragend zu gebrauchen weiß.
Während unseres Marsches bleibt Cosmé distanziert und still, ihre zarten Gesichtszüge wirken wie in Stahl gegossen. Humberto sagt, dass sie Belén nur sehr ungern zurückgelassen hat und überhaupt nur aufgebrochen ist, weil er, Jacián und Vater Alentín sie immer wieder bedrängt haben. Und er sagt auch, dass es typisch für sie ist, tagelang in störrischem Schweigen zu verharren, wenn sie nicht ihren Willen bekommt. Humberto kennt sie viel besser als ich, aber ich möchte ihr Verhalten trotzdem nicht damit abtun. Vielmehr fürchte ich, dass ihr innerer Rückzug viel tiefer gehende Gründe hat, als ihm bewusst ist.
Nach einer Woche stetigen Marschierens führt Jacián uns wieder nach Osten, zurück zu den Bergen. Die Sonne steht hoch und brennt, Schweiß rinnt über meinen Hals und sickert in den Kragen meines Gewands, als ich plötzlich Rauch rieche. Zuerst vermute ich, es sei vielleicht das Kochfeuer eines anderen Reisenden. Aber als wir weiterwandern, wird der Geruch stärker, bis er schließlich unerträglich in der Nase brennt. Wir wechseln unbehagliche Blicke. Vorsichtig lege ich die Finger auf den Feuerstein und versuche festzustellen, ob ich eine eisige Warnung fühlen kann oder vielleicht auch ein warmes Pulsieren, irgendetwas, das mir
einen Hinweis auf das geben könnte, was uns erwartet. Aber er bleibt so reglos wie irgendein normaler Stein.
Schließlich erreichen wir eine Anhöhe und können endlich etwas sehen. Vor uns in leicht nördlicher Richtung trübt ein Vorhang aus Rauch den Horizont. Das ist kein einzelnes Lagerfeuer, sondern ein Flächenbrand, dessen Rauch die braune Farbe des Verderbens zeigt.
Jacián dreht sich zu uns um. »Das Dorf Cerrolindo brennt«, sagt er. »Ich wollte uns in einiger Entfernung daran vorbeiführen, aber …«
»Vielleicht gibt es Überlebende«, unterbricht ihn Cosmé.
An den entschlossenen Gesichtern meiner Gefährten kann ich bereits ablesen, was wir tun werden.
»Elisa«, wendet Humberto sich an mich. »Dein Feuerstein, sagt er dir irgendetwas?«
Ich schüttele den Kopf. »Gar nichts.«
»Dann ist der Feind schon wieder weg«, erklärt Jacián, und wir müssen nicht weiter diskutieren, sondern laufen ihm nach, den Hügel hinab.
Als wir das Dorf erreichen, schluchze ich schon fast, so sehr beißt der gnadenlose Rauch in meiner Kehle, und meine bösen Vorahnungen steigern sich mit jedem Schritt. Ich kann die brennenden Augen kaum noch aufhalten, aber auch durch den Schleier aus Tränen und Qualm erkenne ich die geschwärzten Skelette ausgebrannter Häuser. Holzpfosten, abgebrochen und verkohlt,
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