Der Feuerstein
Humberto halten. Ich sollte mich darauf vorbereiten, die Gattin eines Königs zu werden.
»Das hat auch Jacián gesagt. Wir können uns hier nicht länger aufhalten, wir müssen sofort weiter nach Basajuan.«
»Wenn sie bereit sind, wegen eines unserer kindischen Angriffe ein Dorf auszulöschen, was werden sie dann tun, wenn wir ihre Nahrungsmittel vergiften?«
Seine Brust hebt und senkt sich mit einem Seufzer. »Deswegen tun wir es ja, Elisa«, sagt er sanft. »Schon vergessen? Wir wollen, dass Invierne gegen den Conde vorgeht.«
»Menschen werden deswegen zu Tode kommen.«
»Ja.«
Etwas an seiner ehrlichen Einschätzung der Lage befreit meinen Kopf. Er hat unsere Entscheidung akzeptiert. Er glaubt daran. Und trotzdem kann er die Trauer in seiner Stimme nicht verbergen.
Ich stehe auf und recke mich, entferne mich ein wenig von ihm. »Dann lass uns gehen.«
Die gut gelaunte Flachserei, die den ersten Abschnitt unserer Reise geprägt hat, ist nun düsterem Schweigen gewichen. Mir ist auch nicht nach Reden zumute. Stattdessen nutze ich die Zeit, um mit meinen Feuersteinen zu experimentieren.
Mein eigener ist mir nie magisch vorgekommen. Lebendig, das schon. Ein Kommunikationsmittel vielleicht auch – eine Verbindung zwischen Gott und mir. Aber die Animagi benutzen Feuersteine, die nicht mehr in den Körpern ihrer Träger pulsieren, um die Magie heraufzubeschwören, die unter der Erde dahingleitet. Ich erinnere mich, wie der Animagus sein Amulett umklammerte, um uns auf der Stelle erstarren zu lassen, und wie es feurig blau aufflammte, als er mich verbrennen wollte.
Während mir die vielen Warnungen durch den Kopf gehen, die sich hinsichtlich der Anwendung von Hexenkunst in der Scriptura Sancta finden, greife ich in den Ausschnitt meines Gewands und umklammere den kleinen Käfig. Gott, bitte lass mich nicht in Gefahr geraten, bete ich. Mein eigener
Stein beantwortet mein Gebet mit einem leisen Aufflackern.
Den vergitterten Stein in der Hand, denke ich mit aller Kraft an die Magie, die unter der Oberfläche der Welt lauert. Meine Gedanken greifen tief nach unten, bohren sich in die trockene Erde. Ich stelle mir vor, dass der Stein in meiner Hand warm wird oder dass Feuer aus ihm hervorbricht und den verkrüppelten Wacholderbusch zu meiner Linken in Flammen aufgehen lässt. Ich denke so fest daran, dass ich über einen hervorstehenden Stein stolpere und auf die Knie falle.
»Elisa!« Humberto zieht mich wieder hoch und stützt mich. »Bist du verletzt?«
Sein Griff um meine Schulter ist zu fest, aber das stört mich nicht; ich lehne mich an ihn. »Danke«, flüstere ich ihm ins Ohr. Dabei bemerke ich sehr wohl, wie er auf meine Nähe reagiert; mit geschlossenen Augen atmet er tief ein, und mein ganzer Körper antwortet darauf mit sehnsüchtiger Wärme. Am liebsten würde ich meine Arme um seinen Hals schlingen und mit den Fingern durch sein weiches Haar fahren.
Aber ich kann mich nicht länger solchen Gedanken hingeben. »Mir geht es gut«, murmele ich und wische Staub und Dreck von der Vorderseite meines Gewands, um meine Hände zu beschäftigen. Mein Herz verkrampft sich angesichts seiner verletzten Miene, aber ich setze unseren Weg entschlossen fort.
Wir brauchen zwei Tage nach Basajuan, zwei Tage, an denen es mir nicht gelingt, dem fremden Feuerstein irgendeine Reaktion zu entlocken.
Conde Treviños Stadt liegt in einer Kehre, in der sich die beiden großen Gebirgsketten begegnen, die Sierra Sangre im Osten und die Hohe Sperre mit ihrem Dschungelgürtel im Norden. Hier ist es kühler, und die Luft ist so feucht, dass sie sich wie eine Decke auf meiner Haut anfühlt. Humberto lacht, als ich ihm das erzähle, und versichert mir, dass ich in meiner alten Heimat inzwischen vermutlich ähnlich empfinden würde, nun, da ich an die tiefe Wüste gewöhnt bin.
Wir gehen zwischen malerischen zweistöckigen Gebäuden mit großzügigen Fenstern und blumenbepflanzten Simsen vorbei. Die leuchtend bunt getünchten Hauswände gefallen mir; vorherrschend sind Korallenrot und Gelbtöne, hier und da unterbrochen von Tupfern aus sanftem Blau und Lila. Schmiedeeiserne Verzierungen schlingen sich um Fenster und Türen, und die Torwege und Treppenstufen sind mit hellen Fliesen abgesetzt, die dasselbe eigenwillige Blumenmuster in Gelb und Blau zeigen, wie ich es aus meinem Atrium in Alejandros Palast kenne. Es ist ein gemütlicher, freundlicher Ort, und meine Brust wird eng, als mir klar wird, wie sehr er mich an
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