Der Feuerstein
verrußte Steinwände, Überreste von Tischen und Stühlen, eingesunken und glühend rot.
»Sucht nach Überlebenden!«, schreit Humberto. Er zieht sich seine Kapuze über den Kopf und bindet sich ein Tuch
über Nase und Mund. Schnell tue ich es ihm gleich. »Und seid vorsichtig«, ruft er. »Die Gebäude, die noch stehen, können jeden Augenblick einstürzen!«
Ich haste durch qualmende Straßen und verwinkelte Gässchen, blinzele immer wieder, um meine Augen zu befeuchten, und suche verzweifelt nach Anzeichen von Leben. Beinahe falle ich über den verkohlten Körper eines Tieres – ich kann nicht sagen, ob es ein Schaf oder vielleicht doch ein Hund ist. Fast muss ich mich übergeben, so ekelhaft ist der Geruch von verkohltem Fleisch und die rötliche Feuchtigkeit, die durch die Risse in der verbrannten Haut sickert.
»Hier drüben!«
Zwar kann ich nicht genau ausmachen, woher die Stimme kommt, aber sie erfüllt mich mit Hoffnung. »Wo seid ihr?«, rufe ich zurück.
»An der Nordseite!« Das ist Humberto.
Wieder stürze ich mich in den Rauch, den Unterarm erhoben, als könnte ich damit meine Augen von dem beißenden Dunst schützen, und laufe in die Richtung, in der ich Norden vermute. Links taucht eine große Gestalt auf. Es ist Mara. Sie läuft zu mir herüber, und wir eilen gemeinsam weiter.
Meine Lungen schmerzen, als wir sie erreichen, eine vierköpfige Familie, zusammengekauert, mit rußbeschmierter Haut und unaufhörlich hustend. Humberto hat sich neben den Kleinsten auf den Boden gehockt und tröstet ihn. Er sieht zu mir hoch, als Mara und ich zu ihm treten, und Tränen schimmern in seinen Augen.
»Sie waren in diesem Haus eingeschlossen«, sagt er mit schwankender Stimme. »Sie sollten darin verbrennen.«
»Oh Gott.« So viel Grausamkeit ist unfassbar. »Wer hat
euch das angetan?« Als ob ich das nicht schon wüsste. Der Feuerstein schickt wildes Feuer meine Brust hinauf, wie eine Antwort auf meinen Zorn.
Ein Gesicht blickt mir entgegen. Große Augen, Brandwunden, das Gesicht einer Frau. »Die Animagi«, flüstert sie. »Sie haben gesagt, sie wollten sich rächen. Jedes Mal, wenn die Malficio zuschlagen, werden sie ein Dorf zerstören.«
Sie krümmt sich hustend zusammen, aber das bemerke ich kaum. Die Erde unter mir schwankt zu stark.
26
W ir können nur hoffen, dass den meisten Bewohnern die Flucht gelungen ist, denn wir finden keine weiteren Überlebenden und nur wenige verkohlte Leichen. Ich entferne mich ein wenig von den anderen, laufe einen kahlen Hang hinauf und kauere mich dort zusammen, die Knie gegen die Brust gedrückt. Meine Gefährten suchen in den qualmenden Ruinen nach allem, was noch zu retten ist. Ich sollte ihnen helfen, aber mein Magen rebelliert, Tränen laufen über meine Wangen, und ich bin so unglaublich müde.
In diesen letzten Wochen habe ich gedacht, ich sei nun auch endlich zu etwas nütze. Den Erfolg der Malficio habe ich innerlich gefeiert, und es hat mich stolz gemacht, dass meine winzige Gruppe von Rebellen von mir Führung und Inspiration erwartete. Für kurze Zeit hielt ich mich für gereift und erwachsen. Aber ich war dumm.
Jacián würde mir sagen, dass es in jedem Krieg Opfer gibt. Humberto würde mir versichern, dass nichts davon meine Schuld ist. Sie hätten beide recht. Aber in diesem Augenblick schließe ich dennoch die Augen und fühle das Gewicht des Todes auf meinen Schultern.
»Elisa!«
Meine Augen öffnen sich mit einem Ruck. Humberto eilt auf mich zu.
»Bekommst du wieder besser Luft?«, fragt er besorgt.
Ich nicke. »Was ist mit der Familie?«
Er lässt sich neben mich auf den Boden fallen. »Sie haben Verwandte in der Nähe. Cosmé hatte ihnen angeboten, dass sie mit uns nach Basajuan reisen könnten, aber sie wollen lieber in der Gegend bleiben und nach weiteren Überlebenden Ausschau halten. Wir haben ihnen Essen und Wasser gegeben.«
Ich sage nichts. Er legt mir sanft den Arm um die Schultern und zieht mich an sich. »Es ist nicht deine Schuld«, raunt er in mein Haar.
»Ich weiß.« Aber trotzdem brennen neue Tränen in meinen Augen.
»Mir macht vor allem Sorgen, wie weit wir hier im Westen sind. Ich hatte nicht erwartet, dass Invierne schon so nahe der Wüste zuschlagen kann. Noch nicht jedenfalls.«
»Vielleicht werden sie früher gegen Alejandro ziehen, als wir dachten.« Ich reibe meine Nase gegen den Stoff seines Gewands und denke flüchtig darüber nach, wie unangemessen das ist, was wir hier tun. Ich sollte Abstand von
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