Der Feuerstein
mein Zuhause in Amalur erinnert.
Jacián mietet uns Stallplätze für die Pferde und führt uns dann zu einem dreistöckigen Gebäude, dessen vorderer Teil von einer Straßenwirtschaft eingenommen wird. Lange Tische stehen unter einem Überdach aus roten Ziegeln, und am Tresen weiter hinten zeigen bunte Bilder fleischgefüllte Teigtaschen und herzhafte Eintöpfe. Dahinter bereiten mehrere Köche geschickt die verlangten Gerichte zu. Unsere Gruppe belegt zwei Tische, während Jacián zum Tresen geht, um uns etwas zu bestellen.
Wenn man uns fragt, wollen wir erzählen, wir seien Flüchtlinge
aus Cerrolindo, die hier ihre verbliebenen Besitztümer gegen bare Münze eintauschen und dann aus der Gegend fliehen wollen, bevor der Krieg ausbricht. Das war Maras Idee, und wir stimmten ihr zu. So eine Geschichte ist nicht nur plausibel, sondern spricht auch Bände, was die Unfähigkeit – oder vielleicht den Unwillen – des Conde betrifft, sein Volk zu beschützen.
Jacián kommt zurück und setzt sich zu uns, während wir aufs Essen warten. »Im Obergeschoss kann man übernachten«, sagt er. »Ich habe uns zwei Zimmer reserviert.« Er senkt die Stimme. »Wir werden hierbleiben, bis wir erfahren haben, was wir wissen müssen. Es ist weit genug vom Palast des Conde entfernt, und wir werden hier keine Aufmerksamkeit erregen.«
Dann wendet er sich an mich. »Elisa, ich habe an der Brieftaubenstation für dich nachgefragt. Noch ist keine Nachricht deiner Kinderfrau eingetroffen.«
»Oh.« Es war auch kaum genug Zeit dafür, rede ich mir ein. Immerhin wird sie inzwischen erfahren haben, dass ich in Sicherheit bin. »Danke.«
In einiger Entfernung läuten die Glocken des Klosters die Mittagstriolen, als uns ein kleiner, barfüßiger Junge zwei Teller mit Fladenbrot und gewürztem, dünn geschnittenem Rindfleisch bringt. Wir sehen Jacián überrascht an.
Er grinst breit, und fast schockiert mich die Fröhlichkeit in seinen sonst so dunklen Augen. »Ich konnte mich nicht zurückhalten«, gibt er zu. »Ich weiß, dass wir knapp bei Kasse sind, aber wir waren so lange draußen in der Wüste. Es ist bestimmt schon ein Jahr oder länger her, dass ich zum letzten Mal Rindfleisch gegessen habe.«
Wir brauchen keine weitere Aufforderung, um zuzugreifen. Geräuschvoll und gierig wird gegessen, wir lächeln uns mit vollen Mündern an und kichern über die Unordnung, die wir bei dem Versuch veranstalten, die triefenden Fleischstücke auf das Brot zu schieben. Aber Cosmés und Humbertos Augen sind düster, und ich frage mich, ob sie genau wie ich den ernüchternden Gedanken hatten, dass Jacián uns aus einem ganz bestimmten Grund ein letztes opulentes Mahl gegönnt hat.
Unsere Zimmer sind einfach, aber sauber, und der Besitzer der Herberge hilft uns, aus den Lagerräumen noch weitere Strohsäcke nach oben zu schleppen, um die mageren Pritschen zu ergänzen. Cosmé, Mara und ich sind die einzigen Frauen in unserer Zehnergruppe, und Jacián und Humberto teilen sich das Zimmer mit uns. Zahllose Nächte habe ich neben Humberto geschlafen, er hat in Alentíns Dorf sogar meine Schwelle bewacht. Doch der enge Raum hier vermittelt eine viel größere Intimität, und ich bin mir seiner Gegenwart viel stärker bewusst, als wir unsere Rucksäcke auspacken und die Strohlager zurechtrücken.
Nachdem wir es uns ein wenig gemütlich gemacht haben, verabschieden sich Cosmé und Jacián, um sich in der Stadt nach alten Bekannten umzusehen. Zwar biete ich an, sie zu begleiten, aber Cosmé lächelt nur. »Du würdest mich aufhalten«, sagt sie. »Ich wurde dafür ausgebildet, Informationen zu sammeln. Ruh dich aus, ich komme bald zurück.«
Als sie die Tür hinter sich zuziehen, sage ich in den Raum hinein: »Wie kann man nur so jung sein und schon so viele Dinge wissen und können?«
»Was meinst du damit?«, fragt Mara.
»Cosmé war in Brisadulce meine Zofe. Dann habe ich erfahren, dass sie außerdem Karawanenführerin ist. Und Heilerin. Und natürlich außerdem eine Spionin.« Ich wende mich an Humberto. »Ist hier, jenseits der Wüste, etwa jeder so vielseitig?«
Er lacht leise. »Nur lästige Töchter missratener Condes.«
Meine Augen werden groß. Das ist es also. Die fehlende Verbindung zwischen Cosmé und Treviño. »Aber ich dachte, Cosmé sei deine Schwester?«
»Das ist sie auch. Wir haben dieselbe Mutter, aber verschiedene Väter.«
Mara macht einen Schritt zurück. »Ich weiß nicht, ob ich das alles
Weitere Kostenlose Bücher