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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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erfahren …«
    »Cosmé würde es nicht stören, dass du es weißt«, versichert Humberto ihr. »Jetzt nicht mehr. Aber wir reden nicht oft darüber. Sie hat meinen Papá stets als ihren Vater betrachtet, und sie hat das Gefühl, es wäre ihm gegenüber undankbar, wenn sie ständig von ihrer Verwandtschaft mit dem Conde spräche.«
    »Cosmé hat mir gesagt, Inviernos hätten ihre Eltern getötet«, erinnere ich mich.
    Er nickt. »Das war vor ungefähr fünf Jahren. Es war eine schlimme Zeit für uns.« Er setzt sich auf den Rand einer Pritsche und fährt sich mit der Hand über die weichen Bartstoppeln. »Cosmé hat daraufhin den Conde um Hilfe gebeten. Sie wollte Rache, aber…«
    »Treviño hatte nie die Absicht, gegen Invierne zu kämpfen.«
    »Nicht, seit die Heere in so großer Zahl gegen ihn vorrückten.
Meine Schwester war sehr beharrlich. Der Conde tat natürlich trotzdem nichts, aber er beschloss, sie in seinen Hofstaat aufzunehmen. Zuerst wollte er sie lediglich unter Beobachtung haben. Aber dann wuchs sie ihm ans Herz. Zu sehr. Für sie war das sehr unangenehm.
    Er ließ sie in den verschiedensten Fertigkeiten ausbilden und verschaffte ihr eine Stellung als Zofe bei ihrer älteren Halbschwester Ariña. Die zwei Frauen verstanden sich recht gut, denke ich. Sie trafen sogar eine Vereinbarung. Ariña versprach Cosmé, wenn König Alejandro sie heiraten würde, dann sollte Cosmé die Besitzungen ihres Vaters erben.«
    Ich starre ihn ungläubig an. »Sie hätte in Brisadulce bleiben können. Sie hätte Ariña dabei helfen können, Königin zu werden, um dann selbst zur Condesa aufzusteigen.«
    Humberto nickt. »Das hätte sie tun können. Aber sie kam schließlich zu der Überzeugung, dass ihr Vater und ihre Schwester ihre Seele an Invierne verkauft hatten, um ihre Ziele zu erlangen. Vielleicht haben sie das auch.« Seine Augen werden starr, seine Stirn legt sich in Falten. »Wir haben miterlebt, wie die Gesichter von Mamá und Papá im Feuer eines Animagus vergangen sind. Sie hat das nie vergessen. Und als Onkel Alentín aus dem Kloster floh und seine kleine Rebellion ins Leben rief, haben wir ihn insgeheim unterstützt und geschworen, den Träger zu finden.«
    Ich lasse mich neben Humberto auf die Pritsche fallen und versuche, das Gehörte zu verdauen. »Wenn das hier gut ausgeht, Humberto, wenn ich mein Versprechen halten und dieses Land von Joya befreien kann, dann wird Cosmé vielleicht doch noch Condesa. Vielleicht sogar Königin.«

    Er gibt mir einen kleinen Stups mit der Schulter und grinst. »Deswegen habe ich’s dir ja erzählt.«
    Mara, der das Unbehagen anzusehen ist, steht still wie eine Statue an der Wand gegenüber, die Augen geweitet wie ein Tier, das in der Falle sitzt. »Ich werde versuchen, etwas Wasser aufzutreiben«, sagt sie, »ich muss mir die Haare waschen.«
    Als sie verschwunden ist, sehen Humberto und ich uns betreten an.
    »Du bist mir die letzten zwei Tage dauernd ausgewichen«, sagt er vorsichtig.
    Ich betrachte meine Hände. »Ja.«
    Er beugt sich vor, stützt die Ellenbogen auf die Knie. »Das ist in Ordnung. Das verstehe ich.«
    Unsere Schenkel sind so nahe beieinander. Wenn sich einer von uns beiden jetzt nur ein wenig bewegte, würden sie sich ganz zufällig berühren. »Es tut mir so leid, Humberto. Aber ich muss mit Alejandro verheiratet bleiben, wenn uns das alles gelingen soll.«
    »Du hast nie das Bett mit ihm geteilt.« Das ist eine Feststellung, keine Frage.
    Ich schlucke verlegen und weiß nicht recht, ob ich über solche Dinge mit ihm reden sollte. »Nein, das habe ich nicht.«
    Er wendet sich wieder mir zu, die Augen leicht zusammengekniffen. »Elisa, wenn es für dich eine Möglichkeit gäbe, irgendeine, um aus der Ehe mit dem König herauszukommen, würdest du das wollen?«
    »Irgendeine?«
    »Nichts, wofür du dich schämen müsstest, natürlich.«

    Ich versuche, mir das Gesicht meines Mannes vorzustellen. Normalerweise erschien es stets mit großer Klarheit vor meinem inneren Auge. Aber nun haben die Zeit und die Entfernung meine Erinnerung getrübt.
    Jetzt sehe ich zu Humberto auf, betrachte seine hohen Wangenknochen, Zeichen seiner Wüstenherkunft, das entschlossene Kinn und diese Lippen, die stets so aussehen, als wollten sie jeden Augenblick lächeln. Und dann wird mir klar, dass meine Erinnerung an Alejandro nicht durch Zeit und Entfernung gelitten hat, sondern weil es dieses andere, bessere, klarere Gesicht gibt, das meine Gedanken

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