Der Feuerstein
auch in Brisadulce ist die Zahl der Gläubigen überschaubar, die Bänke sind nicht annähernd voll besetzt. Dabei hatte ich auf eine größere Menschenmenge gehofft, in der wir uns ein wenig verlieren würden.
Unsere Wüstengewänder sind unauffällig und passen zu Büßern, die sich vom Sakrament des Schmerzes eine Segnung versprechen. Cosmé und Humberto tragen ihre Kapuzen, um nicht erkannt zu werden, als wir in gemessen frommer Haltung eintreten. Dann verteilen wir uns, um keinen Verdacht zu erregen, und das leise Gebetsgemurmel durchdringt den Raum, erhebt sich und verstummt in weicher Kadenz. Mein Feuerstein vibriert vor Wärme.
Nahe dem für den Gottesdienst vorbereiteten Altar sieht einer der Priester mit einem Ruck auf. Sein Blick schweift über die versammelte Menge.
Ich ziehe den Kopf ein wenig ein und verstecke mich hinter Cosmé, die weiter nach vorn schreitet, und ich verfluche mich dafür, dass ich etwas so Wichtiges vergessen konnte. Es
ist vergebliche Liebesmüh, mich verbergen zu wollen, denn schließlich ist Cosmé sehr zierlich, und ich bin das ganz und gar nicht, aber der Priester sieht weiter im Raum umher und scheint noch nicht entdeckt zu haben, wo ich mich befinde. So unauffällig wie möglich packe ich Cosmé am Ellenbogen und dränge sie in die nächste Bankreihe. Wir setzen uns gleichzeitig, unsere Beine berühren sich.
Sie flüstert mit gesenktem Kopf: »Wir wollten uns aufteilen und …«
»Der Priester kann meinen Feuerstein fühlen. Genau wie Alentín und Nicandro. Ich wage mich nicht näher heran.«
Sie zieht scharf die Luft ein und sagt dann: »Du solltest gehen. Verschwinde, sobald die ersten Leute aufstehen, um die Einladung anzunehmen.«
Erst will ich nicken, aber dann fällt mir etwas Besseres ein. »Wir könnten meinen Feuerstein als Ablenkungsmanöver nutzen.«
»Meinst du, das würdest du schaffen?«, raunt sie.
»Ja, sicher. Am Schluss der Zeremonie versuchst du mit den anderen, zu den Küchen zu kommen. Ich werde zur Hintertür hinausgehen, zum Schlafsaal, und hoffentlich ihre Aufmerksamkeit auf mich lenken.«
Unter der Kapuze neigt sie sich zu mir, ihre Stirn berührt die meine, dann flüstert sie: »Bist du sicher, dass du das tun willst?«
»Ja. Wir treffen uns später wieder in der Herberge.« Ich bin mir fast sicher, den Weg dorthin allein finden zu können.
Das ist ein ernüchternder Gedanke, und während die vor dem Gottesdienst üblichen Rituale vollzogen werden, warten wir in nervösem Schweigen. Der Priester führt uns durch
das »Glorifica«, und ich muss meine ganze Willenskraft bemühen, um angesichts der lyrischen Schönheit nicht meine ganze Seele in das Lied hineinzulegen. Jeder Gedanke an Gott oder Gebet würde den Stein in mir in freudiger Antwort aufflammen lassen, und daher konzentriere ich mich auf Kokosbrötchen mit Sahnefüllung und versuche, mich ganz genau an den Geschmack und das Gefühl auf meiner Zunge zu erinnern.
Ich trommele mit den Fingern gegen die Bank, als der Priester die heilige Rose mit ihren langen Dornen über seinen Kopf erhebt und eine Erlösungshymne anstimmt. Dann endlich lädt er alle, die das Bedürfnis verspüren, dazu ein, das Sakrament des Schmerzes zu teilen und vorzutreten. Mara, die ein paar Bänke weiter vorn sitzt, erhebt sich, und ich sehe noch andere aus unserer Gruppe nach vorn gehen. Cosmé und Humberto bleiben sitzen; sie fürchten, erkannt zu werden. In diesem Augenblick, ohne Gebet, fühle ich mich beraubt und fürchterlich fehl am Platz.
Endlich ist die Zeremonie vorüber. Die verbliebenen Bittsteller lassen sich die blutenden Finger versorgen, während der oberste Priester – der noch immer angespannt die Menge mit seinem Blick absucht – den Bedürftigen ein zusätzliches Gebet und weisen Rat anbietet. Einige von uns umringen den Priester mit erfundenen Anliegen, während andere zur Seitentür hinübergehen, die zu den Küchen und Stallungen führt.
Die Gedanken noch immer fest auf Pasteten gerichtet, stehe ich auf und bewege mich verstohlen in Richtung Schlafsaal. Aus dem Augenwinkel sehe ich Mara, die den Priester, der mir am nächsten steht, mit klug vorgetragenen Problemen
beschäftigt und ihn mit ihrer hohen Gestalt auch körperlich abschirmt. Unwillkürlich muss ich grinsen, während ich mich in einen kühlen, dunklen Bogengang ducke.
Aber mein Grinsen verschwindet schnell, als ich sehe, dass sich der Gang vor mir teilt. Zwei Richtungen, zwischen denen ich mich entscheiden muss, beide
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