Der Feuerstein
die Malficio.«
Es kommt ein wenig Bewegung in die Menge vor uns, und wir rücken einige Schritte auf. »Ich bin froh, dass es rasch vorangeht«, sage ich.
»Und ich bin froh, dass die Leute hinter uns den Fluchtweg blockieren«, antwortet er und zeigt damit, dass er mich genau verstanden hat.
»Es ist einfacher, weil du hier bist«, sage ich.
Er erwidert nichts, sieht mir nur in die Augen, betrachtet meine Lippen, meinen Hals. Hier, umgeben von der unruhigen, dichten Menschenmenge, ist es beinahe, als wären wir allein. »Elisa«, murmelt er. Die weiche Fläche seines Daumens berührt meine Schulter. »Ich glaube, es gibt eine Lösung.«
»Was meinst du damit?« Ich könnte eine Ewigkeit so mit ihm dastehen.
»Du hast gesagt, wenn es eine Möglichkeit gäbe, von ihm loszukommen …« Sein Daumen gleitet über mein Schlüsselbein. »… dann würdest du es tun.«
Mir ist ein wenig schwindelig. Könnte ich wirklich von Alejandro freikommen? Die Reihe der Bittsteller rückt weiter auf und schiebt uns mit sich. »Ich kann jetzt nicht darüber nachdenken!« Ganz kurz streiche ich mit der Handfläche
über sein Gesicht. »Aber wir werden darüber reden. Versprochen.«
Er schenkt mir dieses fröhliche Lächeln, das mir inzwischen so vertraut und so lieb geworden ist. Etwas öffnet sich in mir, wie eine erblühende Sakramentsrose. Und mir wird klar, dass ich ihn liebe.
»Was denn?«, flüstert er. »Was ist denn?«
Mein Herz fließt so sehr über, dass es schmerzt. »Das sage ich dir später!«
Um das Thema zu beenden, wende ich mich von ihm ab, aber meine Brust brennt vor warmer Hoffnung. Und als wir endlich an der Reihe sind, den Audienzsaal zu betreten, und der gelangweilte Herold fragt, wen er als Nächstes melden soll, erkläre ich mit klarer und sicherer Stimme: »Ich bin Lady Elisa von den Malficio und ich komme auf Einladung Seiner Durchlaucht.«
Die Augen des Herolds flammen mit plötzlichem Interesse auf. Mit seinem Stab klopft er an die Flügeltür. Sie öffnet sich nach innen, und wir treten in einen großen Saal, während er meine Worte für den versammelten Hofstaat wiederholt.
Von beiden Seiten höre ich unterdrückte Überraschungslaute, fühle die heißen Blicke auf meinen Schultern. Mein Selbstbewusstsein schwindet, als der Druck so vieler Menschen auf mir lastet. Wie kann ein geschlossener Raum so viele Körper umfangen? Ihr Geruch ist mir plötzlich deutlich bewusst, ihr Blütenduftparfüm, die schon zweimal eingeatmete Luft. Ich war zu lange in der Wüste.
»Also, Lady Elisa von den Malficio«, sagt eine hohe, klare Stimme. Der Feuerstein wird kalt.
Ich blicke in die Richtung, aus der sie ertönt. Am Ende
des Mittelganges treten einige finster aussehende Bedienstete beiseite und geben den Blick frei auf einen kleinen hellhäutigen Mann, der auf einem Thron sitzt. Sein schwarzes Haar liegt schimmernd an seinen Kopf geklatscht, mit flach gedrückten Locken, die sich um seine Ohren ringeln und auf seiner Stirn Spiralen formen. Seine Augen sind scharf und dunkel, sein Kinn zart wie das eines Mädchens. Wie Cosmés. Er sieht viel jünger aus, als ich ihn mir vorgestellt habe.
An einer Kette um den Hals trägt er einen auffälligen goldenen Anhänger, groß wie meine geöffnete Hand. Er hat eine ungewöhnliche groteske Form, wie eine verfaulende Blume, und gleichzeitig wirkt er irgendwie vertraut.
»Durchlaucht«, sage ich laut und erinnere mich im letzten Augenblick daran, dass ich mich verbeugen muss. Hinter mir tun es mir die anderen nach. Ich frage mich, ob der Conde Cosmé erkennen wird, aber sie trägt eine Kapuze, und seine Aufmerksamkeit ist ausschließlich auf mich gerichtet. Ich ziehe das zusammengerollte Pergament, das er uns geschickt hat, unter meinem Ledergürtel hervor und schwenke es hoch in der Luft. »Wir sind auf Euer Geheiß gekommen, Durchlaucht. Um über ein Bündnis zu sprechen, wie Ihr es vorgeschlagen habt.«
Auf seiner Wange zuckt ein Muskel, und seine Hände werden weiß, so sehr krallen sie sich in die Armlehnen des Throns. »Es wäre natürlich unziemlich, solche Dinge hier zu diskutieren. Meine Wachleute werden Euch in die Gastgemächer bringen.« An einen der versteinert dreinblickenden Bediensteten gewandt, schnippt er kurz mit den Fingern, dann schenkt er uns ein süßliches Lächeln. »Bitte ruht Euch
aus. Macht es Euch gemütlich. Bestellt Euch Essen und Trinken aus den Küchen, wenn Ihr mögt. Nach der Mittagsstunde werde ich Euch rufen
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