Der Feuerstein
unter
der Kutsche heraus. Mein Fuß bleibt an meinem Unterrock hängen, aber ich befreie mich mit einem Ruck, und der Stoff zerreißt. Dann packen wir Aneaxi an den Armen. Sie stöhnt, als wir an ihr ziehen, ist aber durch den Knebel kaum zu hören. Sie kneift die Augen zusammen, ihr Gesicht läuft rot an. Dann wird sie schlaff, als die Bewusstlosigkeit sie übermannt. Verzweifelt schleifen wir sie zu der dunklen Höhle im Baumstamm, und jeden Augenblick fürchte ich einen Pfeil in ihre Brust dringen zu sehen. Schweiß läuft mir den Rücken und den Bauch hinunter. Ximenas grauer Knoten hat sich gelöst, und ihr Haar fällt ihr offen über die Schultern. Stück für Stück kommen wir dem Rand des Dschungels näher. Der Boden fällt ein wenig ab, als wir zwischen die Wurzeln rutschen. Hier ist es kühler und beruhigend dunkel. Der Platz in der kleinen Höhle reicht gerade für uns drei. Ich halte den Atem an und klammere mich fest an Aneaxis Schultern, so erleichtert bin ich, dass wir es bis hierher geschafft haben.
Jetzt habe ich einen besseren Überblick über die Schlacht. Die Leibwache meines Mannes scheint sich inzwischen gegen diese seltsamen Wilden zur Wehr setzen zu können. Rücken an Rücken kämpfen die Männer gegen die Attacken, die jede erkennbare Struktur vermissen lassen, halten Schilde in die Höhe, um sich gegen heransurrende Pfeile zu schützen. Überall liegen Tote, und mein Magen rebelliert beim Geruch von versengtem Fleisch. Unsere Kutsche hat sich in ein flammendes Inferno verwandelt. Ximena zuckt neben mir zusammen, als das lodernde Gefährt krachend in sich zusammenfällt und Funken in alle Richtungen stieben. Hätten wir noch ein wenig länger gezögert, wir wären jetzt verbrannt.
Hinter der zerstörten Kutsche haben zwei Wilde an einem Baum einen der unseren gestellt. Sein Gesicht kann ich nicht sehen, aber sein Körper ist starr vor Entsetzen.
Einer der Wilden springt mit einem Schrei nach vorn, um dem Mann ein Flintsteinmesser in die Brust zu rammen. Gerade noch rechtzeitig kann er sich zur Seite werfen, sodass das Messer lediglich seinen Arm trifft.
Nun kämpft er nur noch schwach mit der linken Hand. Als er wieder zu lange mit der Abwehr zögert, ist mir klar, dass er nicht überleben wird. Die bemalten Angreifer spüren, dass er leichte Beute ist. Sie beginnen mit seltsamen Bewegungen, fast wie ein Tanz. Hinhocken, drehen, anschleichen. Sie sind wie Dschungelkatzen, tödlich geschmeidig und von wildem Jagdtrieb erfüllt. Dann erhasche ich einen Blick auf das Gesicht ihres Opfers.
Alejandro.
»Nein!« Ich stürze aus unserem Versteck hervor. Ximena schreit etwas Unverständliches, packt meinen Arm, aber ich reiße mich los. Auf dem kurzen Weg hinüber zu meinem Mann komme ich mir furchtbar schwerfällig vor; mein Bauch und meine Brüste schaukeln schmerzhaft bei jedem Schritt. Als ich an der zerstörten Kutsche vorbeilaufe, ziehe ich das Messer aus meinem Mieder. Ich habe keine Ahnung, was ich eigentlich damit tun will, aber ich kann nicht einfach zusehen, wie Alejandro stirbt. Die bemalten Männer umringen meinen Ehemann und sehen mich nicht kommen. Sie treten näher an ihn heran, während Alejandro mit dem gesunden Arm noch einmal den Degen zu heben versucht.
Tränen der Verzweiflung laufen über mein Gesicht, als ich den Mann angreife, der mir am nächsten ist. Wir stürzen beide
zu Boden, und weinend steche ich auf ihn ein, steche immer wieder zu, bis mein Arm ganz nass und klebrig ist und meine Schulter brennt von dem harten Aufprall, wenn die Klinge auf einen Knochen trifft.
Jemand zieht mich weg. Es ist Alejandro. Ich blinzle, um meine brennenden Augen zu klären, und sehe zwei bemalte Männer zu unseren Füßen. Er muss den anderen erledigt haben. Ich sollte etwas zu ihm sagen, und mein Mund öffnet sich auch, aber etwas Leuchtendes lenkt meinen Blick nach unten. Rot. So viel Rot, überall auf meinem Mieder. Es durchtränkt meinen Rock. Metallischer Speichel kitzelt meinen Gaumen, und plötzlich zittere ich so sehr, dass ich das Gefühl habe, meine Zähne müssten mir aus dem Mund fallen.
Alejandro zieht mich an sich und streichelt mir über den Rücken, murmelt Worte, die ich nicht aufnehmen kann. Der Kampf ist fast vorüber, und schon bald werde ich mir Gedanken wegen meiner verbrannten Besitztümer machen, wegen Alejandros verletztem Arm oder Aneaxis gebrochenem Bein. Aber im Augenblick kann ich nicht weiter denken als bis zu der Wärme, die von Alejandros Brust
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