Der Feuerstein
ich ziehe vor Überraschung scharf die Luft ein. Noch nie zuvor ist er kalt geworden.
Die Holzverkleidung unter meinen Handflächen fühlt sich plötzlich an, als würde sie von der Sonne gewärmt. Viel zu warm. Der scharfe Geruch brennenden Holzes kitzelt in meiner Nase, während der Feuerstein weiter seine eisigen Warnsignale ausstrahlt.
Aneaxi wimmert: »Feuer!« Tatsächlich füllt sich die Kutsche mit leichtem Rauch, und das Geschrei draußen wird lauter und panischer.
»Die Prinzessin!«, schreit jemand. »Schützt die Prinzessin!« Aber die Stimme ist weit weg.
Wieder taste ich nach dem Riegel der Falltür. Sie schwingt nach unten auf, und wir rutschen hindurch, in die kühlere, sauberere Luft unterhalb der Kusche. Ich lande auf etwas, das knackend unter meinem Gewicht nachgibt. Aneaxi schreit.
Es bleibt keine Zeit, um darüber nachzudenken, wie schwer ich sie verletzt haben mag. Die Pferde wittern den Rauch und tänzeln unruhig in ihrem Geschirr. Wir können jeden Augenblick von den Rädern zermalmt werden. Ich wünschte, ich hätte ein Messer, um die Tiere loszuschneiden, um zumindest irgendetwas in der Hand zu halten, das mir ein wenig das Gefühl der Ohnmacht nehmen würde. Die Kutsche macht einen Satz nach vorn. Links hinter mir sehe ich
Aneaxis Bein, das in unnatürlichem Winkel gebogen direkt vor einem der Kutschräder liegt.
Mir wird übel. »Aneaxi, zieh dein Bein dort weg!«
»Ich kann nicht!«, schluchzt sie.
Rasch packe ich sie unter einer Achsel und versuche sie zu bewegen. Ximena tut es mir auf der anderen Seite nach, aber Aneaxi ist schwer, und ich war nie besonders stark. Ein Pferd steigt hoch, und die Kutsche bewegt sich ruckartig. Voller Panik zerren Ximena und ich an unserer Freundin, aber unter der Kutsche ist es so eng, dass wir sie nicht richtig zu fassen bekommen, und oh, wir haben einfach nicht genug Kraft.
Ein metallisches Klappern ist zu hören, und wieder geht ein Ruck durch die Kutsche. Jemand hat das Pferdegeschirr zerschnitten, und Tränen der Erleichterung steigen in mir auf.
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Die Kutsche bietet uns zwar Deckung, aber sie brennt. Rauch breitet sich am Kutschboden über unseren Köpfen aus und windet sich wie weiße Schlangen um die einzelnen Paneele. Auf Augenhöhe eilen Füße vorbei. Unsere Feinde sind barfüßige Dämonen, offenbar fast nackt und mit schwarz-weißen Kreisen bemalt. Fußkettchen aus winzigen Knochen klappern an ihren Knöcheln, wenn einer von ihnen aus dem Dschungel tritt oder sich wieder dorthin zurückzieht. Ein Satz, ein Schritt, und schon ist die Gestalt verschwunden, und die nächste nimmt ihren Platz ein. Es gibt kein Muster bei ihrem Angriff, in seiner Zufälligkeit und Unaufhörlichkeit ist er nicht abzuwehren.
Ein paar Schritte entfernt von unserer brennenden Kutsche klafft in einem der großen Stämme eine Öffnung, eine
Höhle, geschaffen von den Wurzeln eines Mangrovenbaums. Ich könnte sie schnell erreichen, ebenso wie Ximena, aber ich weiß nicht, ob Aneaxi es mit ihrem gebrochenen Bein schaffen wird.
Hastig wende ich mich zu meinen beiden Zofen um. »Wir müssen hier weg, bevor die Kutsche zusammenbricht.«
Sie nicken. Aneaxis runde Wangen sind dreckverschmiert, durchzogen von hellen Tränenspuren. Mein Herz wird weit. Ich will keine von den beiden verlieren.
»Ximena und ich, wir gehen zuerst«, erkläre ich Aneaxi. »Und dann können wir dich an den Armen unter der Kutsche hervorziehen.« Ich hoffe, dass uns im Stehen gelingen wird, wozu uns im Liegen die Kraft fehlte. »Aneaxi, du darfst nicht schreien, egal, wie weh es tut.«
Sie holt ein paarmal bebend Luft. Dann reißt sie sich ein Stück Stoff vom Saum ihres Reisekleids. Ein Gefühl von Stolz steigt in mir auf, als ich sehe, wie sie es zusammenrollt und in ihren Mund schiebt. Ich bin bereit, sagt ihr Blick.
Wir warten trotzdem noch. Die Kämpfe sind zu nahe. Von unserem Versteck aus können wir Paare nackter, bemalter Wadenbeine in Stiefeln und steifen Häuten sehen. Ein Mann stürzt vor mir zu Boden, und ich zucke zurück. Seine Augen sind offen und blendend weiß inmitten des schwarz bemalten Gesichts. Sein Haar ist so lang wie meines, aber zu dicken Strähnen verfilzt. Er bleibt bewegungslos liegen. Vorsichtig und mit klopfendem Herzen drehe ich ein Flintsteinmesser aus seiner noch warmen Hand und schiebe es in mein Mieder.
Endlich lassen die Kämpfe ein wenig nach, und ich gebe Ximena ein Zeichen. Auf allen vieren kriechen wir
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