Der Feuerstein
während ich von meinem Pilz abbeiße. »Jetzt, da der Krieg kommt, sind sie der Überzeugung, dass es die Moral stärken wird, wenn eine frisch gekrönte Königin im Land ist.«
»Und was meinst du?«, frage ich mit vollem Mund.
»Ich stimme ihnen zu.«
Ich lasse mir mit dem Kauen und Schlucken Zeit, um meine Gedanken zu sammeln. »Als ich zuerst hierherkam, hast du mich gebeten, unsere Ehe geheim zu halten. Jetzt scheinst du es sehr eilig zu haben, mich als deine Frau anzuerkennen und zu deiner Königin zu krönen. Warum?«
Er nimmt das Weinglas zur Hand, bevor er antwortet. »Zuvor konnte ich auf viele politische Vorteile hoffen, wenn ich alle glauben ließ, der Thron der Königin sei noch nicht besetzt.« Aber seine Augen gleiten unstet hin und her, und er trinkt den Wein so begierig, als sei er ein Lebenselixier.
»Und jetzt, da es jeder weiß, meint das Quorum, ich sollte sofort gekrönt werden.«
»Ja.«
»Denkt Ariña auch so?« Wahrscheinlich hat die Condesa beinahe einen Schlaganfall bekommen, als sie von unserer Ehe erfuhr. Und endlich dämmert es mir, dass politische Beweggründe zwar sicher auch eine Rolle gespielt haben mögen,
dass Alejandro aber unsere Ehe vor allem deshalb geheim halten wollte, weil er es nicht wagte, seiner Geliebten davon zu berichten.
Die Hand mit dem Weinglas ist weiß geworden, aber seine Stimme bleibt ruhig, als er erklärt: »Ariña auch. Vor allem auch deswegen, weil du es warst, die während der ganzen letzten Monate die geheimnisvollen Malficio angeführt hat. Für das Volk von Joya wird es sehr tröstlich sein zu wissen, dass ihre Königin nicht nur die Trägerin des Feuersteins ist, sondern gleichzeitig eine echte Heldin.«
Heldin? Das klingt lächerlich. »Ich hatte einige gute Ideen. Das ist alles. Dein Volk hat alles andere übernommen.« Dann sehe ich ihn mit gerunzelter Stirn an. »Es muss dir klar sein, Alejandro, dass Condesa Ariña eine Verräterin ist.«
Seine Augen werden schmal. »Sie wird nicht in meinem Bett liegen, wenn es das ist, was dir Sorgen bereitet.«
»Sorgen bereitet mir die Kleinigkeit des Hochverrats«, gebe ich kurz angebunden zurück. Dieses Gespräch verläuft ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe. Ich kann gar nicht glauben, dass ich gerade eben so mit ihm gesprochen habe.
Er zuckt mit den Schultern und wirkt plötzlich wieder sehr verletzlich. »Wir können nicht sicher sein, ob …«
»Sie wusste, was ihr Vater tat. Sie wusste, dass er mit Invierne gemeinsame Sache machte. Aber sie hat nichts gesagt. Denk doch an die vielen Male, die ihr Kriegsrat gehalten habt, Alejandro. An die vielen Quorumssitzungen, bei denen sie dir die Wahrheit hätte sagen können.«
Er zögert kurz. »Ich werde sie beobachten lassen, wenn du dich dann besser fühlst.«
Am liebsten wäre es mir, sie würde gefangen gesetzt, damit sie mir – und Cosmé – nicht im Weg stehen wird, falls wir diesen Krieg überleben sollten. »Das würde sicherlich helfen. Danke.«
»Das Quorum würde die Krönung jedenfalls gern in zwei Tagen durchführen.«
So bald schon! Es kommt mir zwar sehr lange her vor, aber ich kann mich noch gut an eine Zeit erinnern, da ich nebenan auf meinem Bett lag, die Fingerspitzen auf den Feuerstein gelegt, und darum betete, eines Tages Königin zu werden. Jetzt muss ich brav mitspielen, wenn auch nur, um das Versprechen zu erfüllen, das ich einigen tapferen Menschen gegeben habe, die sich die Freiheit wünschen, um sich einen eigenen Ort zum Leben zu erschaffen.
Während der Wein mein Blut erwärmt und mir so etwas wie Mut einflößt, während Alejandros weicher, sehnsuchtsvoller Blick auf mich gerichtet ist und mir ein Gefühl wie Macht vermittelt, mache ich den ersten Zug. »In einer Hinsicht hattest du recht«, sage ich jetzt wieder in respektvollem Ton. Fast schmeichelnd. »Die Malficio sind Helden. Sie sind die tapfersten Kämpfer, die ich je kennengelernt habe, und sie würden ihr Leben dafür geben, dass du den Sieg davontragen wirst.«
»Du bist mit Recht stolz auf sie.«
»Wenn wir diesen Krieg überleben …«Bei meinen Worten zuckt Angst über sein Gesicht. »Dann würde ich gern um den persönlichen Gefallen bitten, dass sie dafür geehrt werden.«
»Sicher«, willigt er schnell ein, aber seine Stirn ist noch gefurcht, sein Blick geht weit in die Ferne.
»Was ist denn, Alejandro?«
Er seufzt. »Kann ich dir etwas anvertrauen, Elisa?«
»Natürlich.«
Er stürzt den restlichen Wein herunter und setzt
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