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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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überrascht an.
    »So früh hatte ich dich nicht zurückerwartet«, sagt Ximena.
    »Habt ihr die eingetopfte Palme gefunden?«
    Ximena seufzt. »Nein. Sie ist nicht im Kloster. Und Mara hat die Dienstbotenquartiere überprüft.«
    »Der Küchenmeister hat mich dabei erwischt, wie ich in einem Topf mit Erde gegraben habe«, erzählt Mara mit einem Lachen in der Stimme.
    Frustriert lasse ich mich aufs Bett sinken. »Wahrscheinlich ziert diese Pflanze jetzt das Zimmer irgendeiner Edelfrau. Ich muss mir einen Grund ausdenken, der es uns erlaubt, jeden Raum im Palast zu durchsuchen. Vielleicht kann Hector mir dabei helfen.«
    »Wir werden ihn morgen fragen«, sagt Ximena. Für sie ist diese Suche nach den Feuersteinen sehr schwierig, denn schließlich ist sie als Vía-Reforma-Anhängerin der festen Überzeugung, dass solche Dinge sich selbst überlassen werden sollten. Überhaupt war sie erst bereit, uns zu helfen, als ich ihr verdeutlichte, wie viel schlimmer es sein würde, wenn Inviernes Hexenmeister die Steine vor uns fänden. Wahrscheinlich könnte ich, sobald ich einmal zur Königin gekrönt worden bin, den ganzen Palast durchkämmen lassen. Bei dem Gedanken verziehe ich unwillkürlich das Gesicht. Was für eine wunderbare Idee, um mich bei meinen neuen Untertanen sofort beliebt zu machen.
    Nach einem tiefen Atemzug erkläre ich: »Ich soll in zwei Tagen zur Königin gekrönt werden.«
    Die beiden starren mich an. »Das ist ja wunderbar, Elisa«, sagt Mara.

    Es klopft, und ich zucke zusammen; beinahe erwarte ich, dass es wieder Alejandro ist. Ximena öffnet die Tür einen Spalt, nimmt etwas entgegen, schließt sie wieder.
    »Eine Nachricht für dich, die eine Brieftaube gerade gebracht hat«, sagt sie und streckt mir ihre Hand entgegen. Zwischen Daumen und Zeigefinger hält sie eine kleine Röhre.
    Schnell nehme ich sie, schraube die Kappe ab und streiche das aufgerollte Schreiben glatt.
    »Es ist von Cosmé!«, bringe ich heraus. Tränen steigen mir in die Augen. »Basajuan wurde überrannt, das Heer des Conde zerschlagen; die Soldaten haben sich zur Hohen Sperre hinaufgeflüchtet. Die nahe gelegenen Dörfer wurden in Brand gesteckt. Sie organisiert eine Einsatztruppe, die den Inviernos immer wieder in den Rücken fallen soll, während sie weiter auf Brisadulce vorrücken.« Ich sehe die beiden an und wedele mit dem winzigen Pergament hin und her. »Hier steht, dass Flüchtlinge auf dem Weg hierher sind. Viele Flüchtlinge.«
    »Das ist doch gut, oder nicht?«, fragt Mara. »Das heißt doch, dass sie in der Lage war, eine Menge Leute zu evakuieren.«
    Ich nicke. »Das ist gut.«
    Betet, wenn Euch die Zweifel übermannen. Auf dem harten Steinboden falle ich auf die Knie. Dann strecke ich mich aus und bete für Cosmé, für Jacián, sogar für den verräterischen Belén. Ich bitte um das Leben von Alentín und der Menschen aus dem versteckten Dorf. Ich bete zu Gott, er möge mir zeigen, wie man gegen die Hexenkunst der Animagi vorgehen kann. Jetzt, da so viel auf dem Spiel steht, muss er doch einfach meine Gebete erhören.

    Als ich endlich ins Bett falle, schimmert mein Körper vor Schweiß von der brennenden Antwort des Feuersteins.
     
    Der nächste Tag vergeht gleichzeitig hektisch und eintönig. Jeder will meine Meinung hören, aber nur völlig belanglose Angelegenheiten betreffend. »Wie würdet Ihr gern Euren Auftritt gestalten, Hoheit?« – »Welche Gerichte möchtet Ihr beim anschließenden Fest serviert bekommen?« – »Hättet Ihr lieber Lilien oder Allmanda?« – »Sollte das Orchester bei Eurem Einzug das ›Glorifica‹ oder doch lieber das ›Entrada Triunfal‹ spielen?«
    Ist denn niemandem klar, dass uns ein Krieg bevorsteht?
    »Das genau ist es, was alle dazu bringt, sich so verzweifelt auf die Einzelheiten dieser Feierlichkeit zu stürzen«, erklärt mir Ximena. »Also sei eine gute zukünftige Königin, lächele und gönne ihnen ihr kleines bisschen Glück.«
    Sie hat recht, und mir wird die Brust eng, weil ich mich ein wenig schuldig fühle. Ich habe vergessen, zu anderen Menschen freundlich zu sein.
    »Und jetzt sag mir«, fährt sie fort, »welche Robe gefällt dir am besten?«
    Wir einigen uns auf ein seidenes Kleid mit einem durchsichtigen Umhang. Es hat eine lichte Farbe, wie goldener Wein, und der Saum ist mit zarten gelben Ranken bestickt. Meine sonnengebräunte Haut kommt durch den schimmernden Stoff gut zur Geltung. Früher haben wir all meine Kleider ein Stück umgesäumt, aber

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