Der Feuerstein
die Felswand, lehne mich gegen den Stein, schließe die Augen und atme tief ein, um meinen rebellierenden Magen zu beruhigen.
Das Sakrament ist viel zu schnell vorüber. Eine Hand fasst mich an der Schulter, und als ich aufsehe, blicke ich in Alentíns freundliches Gesicht. »Es ist so weit, Elisa.«
Mir ist, als könnte ich mich nicht bewegen.
»Wenn Ihr zu den Menschen sprechen wollt, dann müsst Ihr es jetzt tun.«
»Und wenn sie mir nicht zuhören?«
Er antwortet nicht. Mit einem hastigen, tiefen Atemzug lege ich meine Fingerspitzen auf den Feuerstein. »Gott«, hauche ich. Aber ich kann mein Gebet nicht beenden, denn plötzlich steigt eine enorme Kraft aus meinem Nabel und zuckt wie ein weicher Blitz mein Rückgrat empor und die Arme hinunter. Meine Augen weiten sich, mir bleibt der Mund offen stehen, und meine Fingerspitzen zucken.
»Elisa?«
Ich blicke in die versammelte Runde. Sie alle sitzen im Schneidersitz da, und es sind zumeist junge Gesichter, die im Feuerschein hoffnungsvoll glänzen. Sie starren mich an und warten. »Ich bin dazu bestimmt, das zu tun«, raune ich und bin selbst verwundert. Die Angst ist noch immer da. Meine Beine sind Säulen aus Stein, als mir Alentín aufhilft. Er führt mich zu dem großen Felsblock, aber ich steige nicht hinauf, weil ich genau weiß, dass ich da oben nicht in der Lage wäre, das Gleichgewicht zu halten.
Alentín lässt sich vor mir nieder, und damit bin ich die Einzige, die noch steht.
»Äh, hallo«, sage ich höchst gewandt.
Raunen und Nicken.
»Ich bin Lucero-Elisa de Riqueza, Prinzessin von Orovalle. Und ich, äh, ich trage den Feuerstein.« Einige heben fragend die Augenbrauen, und ich höre erstauntes Einatmen, vermutlich von den Neuankömmlingen. »Ich war eine Zeit lang Gast Seiner Majestät, König Alejandro de Vega, in der Stadt Brisadulce.« Plötzlich wird mir klar, dass ich mehr Zeit in der Wüste verbracht habe als an der Seite des Königs. »Dort konnte ich einem Kriegsrat im Quorum der Fünf beiwohnen. Daher weiß ich, was kommen wird und was der König plant, und ich kann euch sagen, es ist nicht genug. Alejandro hat nicht die Absicht, Hilfe zu senden. Wir sind bei der Verteidigung des Berglands allein.« Dabei wage ich nicht zu erwähnen, welche Rolle ich bei Alejandros Entscheidung gespielt habe, aber mein Gesicht brennt bei dem Gedanken an die Wahrheit.
»Bist du sicher?«, ruft ein Mann.
Ich blicke in die Richtung, aus der die Stimme gekommen ist. »Ganz sicher. Es ist allerdings möglich, dass er eine kleine Abordnung schickt, um eine Evakuierung in die Wege zu leiten.«
Nun bricht Panik in der Runde aus. Die Galle steigt mir in die Kehle, als ich ihre verletzten Gesichter sehe und spüre, wie sehr sie sich verraten fühlen. Aber ich muss Wut und Zorn in ihnen wecken. Also verschränke ich die Hände hinter dem Rücken und warte, bis der erste Schock allgemeinem Gemurmel weicht und es schließlich wieder still wird.
»Wir können vom König keine Hilfe erwarten«, fahre ich fort. »Und wir können uns auch nicht darauf verlassen, dass
Conde Treviño uns beschützt. Nach dem, was ich erfahren habe, bereiten sich zwei große Heere auf den Marsch gegen Joya d’Arena vor. Vielleicht könnte König Alejandro eines dieser Heere besiegen, aber zwei? Und ich weiß keine wirksame Verteidigung gegen das Feuer der Animagi.« Ich schüttele den Kopf. »Sie sind viele, wir sind wenige. Wir sind verwundet und erschöpft. Sie sind erwachsene Männer und Frauen. Wir sind vor allem Kinder. Wir können keine Hilfe erwarten. Kurz gesagt, wir können keinen Krieg gegen Invierne führen und hoffen, ihn zu überleben.« Diese Worte habe ich seit Tagen geübt, aber ich fürchte trotzdem, jetzt viel zu schnell zu sprechen.
»Dann werden wir ehrenvoll sterben!«, schreit jemand. Zustimmendes Gemurmel folgt, obwohl einige der Versammelten schweigend auf den kreidigen Boden der Höhle blicken.
»Ehre im Tod zu finden, das ist ein Mythos«, erwidere ich knapp. »Erfunden von den Kriegsversehrten, um dem schrecklichen Geschehen einen Sinn zu verleihen. Wenn wir sterben, dann nur, damit andere deswegen überleben können. Der wahrhaft ehrenvolle Tod, der einzig ehrenvolle Tod ist der, der Leben ermöglicht.«
»Schlägst du vor, dass wir uns zurückziehen?« Das ist Humbertos sanfte Stimme. Selbst im Feuerschein kann ich die Enttäuschung sehen, die in seinem Gesicht geschrieben steht.
»Nicht direkt.« Seine Gegenwart beruhigt mich, und ich lächele
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