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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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ihn gedacht, aber lediglich im Zusammenhang mit unseren Kriegsstrategien. Seine Gesellschaft vermisse ich nicht halb so sehr wie Ximenas.
    Dann ergreift Cosmé wieder das Wort. »Bitte sag uns, dass du halten kannst, was du versprichst. Dass du, wenn der Krieg vorbei ist, den König davon überzeugen wirst, uns dieses Gebiet zu überlassen.«
    Stille senkt sich wie eine Decke über die Menge, und alle sehen mich voll Hoffnung und Erwartung an.
    »Ich werde es tun«, sage ich im Brustton der Überzeugung.
    Aufgeregtes Gerede hebt an. Bis spät in die Nacht sitzen wir in der halbrunden Höhle zusammen und schmieden Pläne. Die Dorfbewohner stehen nun ganz und gar hinter mir, mit Herz und Verstand. Zwar weiß ich noch immer nicht, welchen Zweck der Feuerstein haben mag, der in mir lebt, ebenso wenig, wie man gegen die Animagi vorgehen könnte.
Aber ich habe ihnen eine Möglichkeit aufgezeigt. Etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Das muss reichen.
    Als ich endlich erschöpft zu meiner Hütte stolpere, ist Humberto nicht da. Es ist ein komisches Gefühl, die Augen zu schließen, ohne ihm zuvor gute Nacht zu sagen. Lange liege ich wach und bin mir des leeren Platzes vor meiner Schwelle schmerzlich bewusst.

18

    A m nächsten Morgen darf ich das letzte Stückchen Pergament, das im Dorf zu finden ist, dafür benutzen, eine kurze Nachricht in der Lengua Classica an Ximena zu verfassen. Den Text unterschreibe ich mit »Tuciela« – »dein Himmel«  – und reiche ihn dem Jungen, der als Kurier mit dem Schreiben nach Basajuan gehen soll.
    Vater Alentín und ich verbringen den übrigen Vormittag damit, jedes Haus des terrassenförmig angelegten Dorfes zu besuchen und mit den Bewohnern zu reden, deren Namen ich auf einer dicken Schafshaut notiere. Schon bald tut mir mein Handgelenk weh; es ist enorm anstrengend, mit der Tinte gleichmäßige, lesbare Buchstaben zu formen. Wir befragen alle eingehend, und ich schreibe hinter jeden Namen, woher die Leute stammen und ob sie eventuell besondere Fähigkeiten besitzen. Sogar die ganz Kleinen sind schon bemerkenswert selbstständig, können Essen machen, Kleidung nähen, Schafe hüten oder Holz bearbeiten.
    Mir gegenüber legen sie eine Mischung aus staunender Bewunderung und Unsicherheit an den Tag. Aber Alentín ist eine große Hilfe; ihm fallen Fragen ein, an die ich nie denken
würde, und er behandelt vor allem die Kinder mit ruhiger, einfühlsamer Gelassenheit. Schon bald umfasst die Liste sechsundfünfzig Namen, und ich habe mit allen gesprochen, außer mit Humberto. Cosmé zufolge hat er es sattgehabt, ausschließlich von Hammelfleisch zu leben, und ist zur Jagd aufgebrochen.
    Am späten Nachmittag kommen Cosmé und Belén in meine Hütte. Im Schneidersitz essen wir Lammkeule mit weißen Bohnen und Pilzen und gehen die Liste gemeinsam durch.
    »Nur fünfzehn Leute können mit Pfeil und Bogen umgehen«, überlegt Belén besorgt.
    »Wie schnell könnten wir es den anderen beibringen?«, frage ich. »Ich meine jetzt nicht, sie zu Meisterschützen zu machen, sondern nur so weit, dass sie ein bisschen schießen können?«
    »Das ginge schnell. Aber das ist nicht das Problem. Wir haben zu wenig Bogen.«
    »Könnten wir mehr herstellen?«
    Belén zuckt mit den Schultern. »Schon, aber das würde eine Weile dauern. Hier in der Gegend gibt es kaum geeignetes Holz.«
    »Neun weitere wissen immerhin, wie man eine Schleuder benutzt«, meint Cosmé. »Dafür brauchen wir nur ein bisschen Leder. Und Steine. Jungen schießen doch so gern mit Schleudern.«
    »Na klar!« Belén hebt in Siegerpose die Faust. »Wir werden die Welt vor Invierne retten! Mit Schleudern!«
    Cosmé zuckt mit den Schultern. »Jeder, der auf zwanzig Schritt ein Kaninchen töten kann, bringt auf zehn Schritt vielleicht auch einen Krieger aus Invierne um.«

    »Also«, sage ich und hole tief Luft. Es ist ein albernes Gefühl, als seien wir kleine Kinder beim Kriegsspielen, was wir natürlich zum größten Teil auch sind. »Dann wird es jeder mit einer Schleuder versuchen, während wir uns gleichzeitig überlegen, wie wir mehr Pfeile und Bogen herstellen können.«
    Unserer Liste zufolge haben wir zwar einen Schmied im Dorf, aber kein Eisen. Und wir haben Näherinnen, wissen aber nicht, wie sich der Feind kleidet. Außerdem gibt es eine Hebamme, die Cosmé bereits bei der Versorgung der Verletzten geholfen hat, und zwei Trapper, die früher, vor Inviernes Vorrücken, auf der Jagd oft tief in die Berge vorgedrungen

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