Der Feuerstein
selbst.«
Zu meiner Erleichterung sehe ich, wie sich ein breites Grinsen über sein Gesicht zieht. »Oh.«
»Gute Nacht, Prinzessin.«
»Bitte nenn mich Elisa.«
Er stöhnt.
»Tut mir leid. Gute Nacht.«
Alentín ist mit einer Versammlung einverstanden, würde sie aber gern erst in ein paar Tagen einberufen. »Wir haben Kundschafter ausgesandt, um nach weiteren Überlebenden zu suchen«, erklärt er. »Am besten warten wir bis zu ihrer Rückkehr.«
Dagegen lässt sich schlecht etwas sagen, aber mir ist es eigentlich nicht recht, vor allem weil ich davor Angst habe, dass sich meine Nervosität dann stetig steigern wird. Zu Hause war es stets Alodia, die bei Hofe Reden gehalten hat, während ich mich zurückhielt und höchstens einmal einen
Trinkspruch ausbrachte. Natürlich ist die Lage jetzt ganz anders, und ich sollte keine Angst vor fünfzig Kindern haben. Es ist ja nicht, als stünde ich vor der nobleza d’oro, während die versammelten Edelleute den straff gespannten Stoff über meiner Taille anglotzen oder sich darüber lustig machen, wie viel ich gegessen habe.
Ich bin die Trägerin, versuche ich mir immer wieder zu sagen. Für diese Menschen hier bin ich ein Symbol der Hoffnung.
Dennoch will es mir nicht mehr gelingen, längere Zeit ruhig dazusitzen, und deswegen bitte ich Cosmé, mir alles über das Duermakraut zu erzählen. Sie verengt misstrauisch die Augen, während sie kurz überlegt. Unwillkürlich erinnert mich ihre Miene an Lord Hector; an die Augenblicke, in denen sein bedächtiges Gesicht kurz den wachen Verstand erkennen ließ, der hinter seiner Stirn arbeitet. Es macht mich traurig, wenn ich an ihn, an Alejandro und Ximena denke, die mich suchen und sich wahrscheinlich große Sorgen um mich machen. Ich wünschte, es gäbe eine Möglichkeit, eine Nachricht nach Brisadulce zu schicken.
»Ich werde dir beibringen, was du darüber wissen musst.«
Überrascht trete ich einen Schritt zurück. »Danke.«
Cosmé führt mich über die nördliche Anhöhe in ein kleines, gewundenes Tal. Heute ist es besonders heiß, und bei jedem scharfen Windstoß habe ich das Gefühl, Sand zwischen die Zähne zu bekommen.
»Es wächst im Schatten«, sagt sie. »Normalerweise auf weichem Boden, aber nicht ausschließlich. Suche vor allem an der Sonnenaufgangsseite von Felsblöcken.« Sie deutet auf einen niedrigen Busch mit breiten, samtigen meergrünen
Blättern. »Zweimal im Jahr bringt er kleine gelbe Beeren hervor. Die Beeren sind giftig, die Blätter hingegen sehr nützlich. Ich habe den Verwundeten einen milden Tee daraus gebraut, damit sie besser schlafen können.« Mit entschlossenem, sanftem Griff dreht sie einige Blätter von den Zweigen ab. »Reiß nicht die ganze Wurzel mit aus. Wenn du nur die Blätter abzupfst, wachsen sie im nächsten Jahr nach.«
Ich versuche, ihre Bewegung nachzuahmen, und schaffe es tatsächlich, ein paar Blätter zu erbeuten, die an der Bruchstelle ein wenig feucht sind. Sie riechen leicht nach Zimt. »Was habt ihr bei mir verwendet?«, frage ich. »Das war doch kein Tee. Aber es hat sehr schnell gewirkt.«
Cosmé nickt. »Duermablatt enthält sehr viel Wasser. Wenn du die dicksten Blätter nimmst und alle Feuchtigkeit aus ihnen herauspresst«, sie sucht ein größeres Blatt heraus und wedelt damit vor meiner Nase herum, »und sie anschließend trocknen lässt und zerreibst, dann bekommst du ein Pulver, das einen Menschen sehr lange schlafen lassen wird, wenn er es eingeatmet hat.«
»So wie ich.«
»So wie du.«
»Könnte man auch davon sterben?«
Sie zuckt mit den Schultern. »Das kommt vor. Eine sehr konzentrierte Dosis könnte schon tödlich wirken. Aus den Beeren könnte ich sicher ein sehr wirksames Gift zusammenbrauen. Und manchmal reagieren Menschen auch auf unerwartete Weise.«
»Also bestand die Möglichkeit, dass ich sterbe.«
Sie lächelt, und der plötzlich aufblitzende echte Humor in ihren schwarzen Augen erschreckt mich beinahe. »Eine winzige
Möglichkeit. Aber du warst ja sehr … üppig. Da hätte man eine sehr große Menge gebraucht.«
Ich werfe ihr einen gespielt bösen Blick zu. »Und der Tee, den ihr Ximena verabreicht habt – wie stark war der?«
»Sie ist wahrscheinlich am späten Vormittag mit starken Kopfschmerzen aufgewacht.«
»Interessant. Sehr interessant.« Nachdenklich sehe ich mich in dem kleinen Tal um. Es ist überwiegend trocken und wird von einem Kakteengürtel umschlossen, aber an den schattigeren Stellen drängen sich
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