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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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verbracht hat. Oder vielleicht ist sie auch einfach nur froh, dass wir sicher angekommen sind. Was auch immer, mir wird klar, dass Cosmé, die von der Natur sowieso schon mit gutem Aussehen reich bedacht worden ist, eine wahre Schönheit sein könnte, wenn sie es darauf anlegte.
    Sie runzelt die Stirn. »Was schaust du so?«
    »Äh … der Hase. Wie habt ihr den … ?«
    »Humberto hat ihn mit der Schleuder erlegt. Wenn ich ihm damit drohe, dass es Suppe zum Frühstück gibt, bemüht er sich richtig, etwas anderes zu erwischen.«
    Das bringt mich zum Lächeln. »Er ist sehr tüchtig, nicht wahr?«
    »Mein Bruder hat eines mit dir gemeinsam: Essen interessiert ihn nur, wenn es in großen Mengen verfügbar ist.«

    Ich entschließe mich, das als freundliche Neckerei aufzufassen, und grinse ebenfalls. »Dein Bruder ist weise.«
    »Er ist vorn am Eingang und hält Wache, falls du ihm Gesellschaft leisten möchtest. Ich bringe euch beiden etwas zu essen, wenn es fertig ist.«
    »Danke.«
    Ich versuche, mich an den Weg zu erinnern, den wir gestern durch die Höhlen genommen haben. So schwer ist das nicht; ich muss nur dem Sonnenlicht entgegengehen. Humbertos Silhouette zeichnet sich am Eingang ab; er hat sich mit dem Rücken an den Rand gelehnt. Dorniges Mesquitegestrüpp verdeckt die Sicht nach draußen. Als ich einen Schritt nach vorn mache, fühle ich Humbertos Hand auf meinem Knie.
    »Nicht weiter, Elisa«, flüstert er. »Bleib aus der Sonne. Das Morgenlicht strahlt die Klippe an wie Fackellicht. Du kannst am Nachmittag deine Beobachtungen machen, wenn die Sonne in unserem Rücken steht.«
    Die Erinnerung an die Gefahr, in die wir uns begeben haben, lässt mich angestrengt schlucken.
    Unsere Schenkel berühren sich, als ich mich neben ihn setze. Aber ich bewege mich nicht, ich bin einfach glücklich, seinen Körper so direkt neben mir zu haben und seine leisen Atemzüge zu hören.
    Durch die kleinen Lücken im Gestrüpp kann ich unseren Feind deutlich erkennen. Die Höhle ist ein hervorragender Beobachtungsposten. Zwar kann ich so nicht sehen, wie das Lager insgesamt aufgeteilt ist, dafür aber einzelne Personen, die unbekannten Aufgaben nachgehen, in Leder und Pelze gekleidet, barfuß, blasshäutig, aktiv. Besonders auffällig an
ihnen ist ihr Haar. Einige haben schwarzes Haar wie ich, oft auch mit roten Reflexen, so wie Alejandro, aber das Haar vieler anderer ist braun wie eine Kokosnuss oder sogar noch heller, gelbgolden wie Honig oder Stroh.
    »Sie sehen so fremdartig aus«, flüstere ich. »So wild. So bunt.«
    Humberto brummt etwas. »Warte, bis du einen Animagus zu sehen bekommst.«
    Hastig spreche ich ein Gebet, um die plötzliche Kälte in meiner Brust beiseitezudrängen. Dann wechsele ich das Thema. »Wo sind Belén und Jacián?«
    »Belén ist auf der Jagd. Wir haben miteinander gewettet, wer von uns einen größeren Hasen erlegt. Jacián ist auf Kundschaftergang und sieht sich um, ob hier kürzlich jemand gewesen ist. Sie werden erst am Nachmittag zurückkehren. Die Sonne steht zu hoch, als dass sie ungesehen über den Steilhang kommen könnten.«
    Ehrfürchtig schüttele ich den Kopf über meine Begleiter. Ich kann mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, den Schutz der Höhle zu verlassen. Aber ich bin mit Menschen unterwegs, die mit derselben Leichtigkeit über Land ziehen, wie eine Möwe übers Meer fliegt. Sie sind hier an diesem Ort zu Hause, auch wenn der Feind nur einen Steinwurf entfernt ist.
    Humbertos Profil wird von der Morgensonne in goldenes Licht getaucht. Der leichte Flaum des Bartes, den er allmählich entwickelt, umfasst sein Kinn, seine zerzausten Haare fallen ihm bis über den Rücken. Irgendwie habe ich weniger Angst, wenn ich hier neben ihm sitze.
    »Ich bin froh, dass du da bist«, sage ich.

    Sein Kopf fährt herum, und ich zucke beinahe zusammen, als sein fester Blick über mein Gesicht gleitet bis zu meinen Lippen, und obwohl kein Gebet mein Herz erfüllt, entwickelt sich doch Wärme in meinem Bauch. Meine Lippen öffnen sich, und ich lehne mich an ihn.
    Doch dann macht mich eine Bewegung plötzlich aufmerksam, und ich stoße ein leises Keuchen aus, als der Feuerstein kaltes Feuer durch meine Adern schickt. »Humberto«, flüstere ich panisch. »Diese Inviernos dort. Kommen sie hier herüber?«
    Er sieht zu der Gruppe hinab, die sich am Fuß des Steilhangs sammelt. Seine Stirn legt sich besorgt in Falten, aber er schüttelt den Kopf. »Sie können uns hier unmöglich sehen«,

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