Der Feuerstein
auf. Es ist eine Höhle in der Höhle, mit einer Vertiefung, die durch einen hohen Rand vor Blicken geschützt ist. Ich ziehe mich so weit wie möglich in die Dunkelheit hinein.
»Das muss reichen«, sagt Cosmé. »Halte dort aus. Ich bringe dir Vorräte und Wasser.«
Hier ist es kühler, beinahe frostig. Oder vielleicht ist es auch der Feuerstein. Bitte schütze mich irgendwie, hauche ich fast unhörbar. Der Boden ist sandig und nicht unbequem, aber ich muss Kopf und Schultern einziehen und meine Beine unterschlagen, damit kein Licht auf sie fällt.
Humbertos Kopf taucht vor der Öffnung auf. Er wirft mir meinen Rucksack zu, der neben mir auf dem Sand landet. »Ich habe unsere ganzen Vorräte hineingetan und auch deine Tinte. Du solltest dir das Gesicht und alle hellen Bereiche deiner Kleidung damit beschmieren. Falls es eine Überflutung
gibt, dann wird das Wasser durch diese Kammer strömen. Lass dich von ihm in die große Höhle tragen, dort staut es sich nie, sondern fließt immer gleich ab.«
Eine Überflutung?
»Humberto!« Cosmés Stimme dringt aus einiger Entfernung zu uns. »Ich kann sie hören!«
Seine Augen sind groß und traurig. Um Verzeihung bittend.
»Geh, Humberto«, sage ich sanft. »Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert.«
»Ich werde kommen und nach dir suchen. Egal, was geschieht.«
»Ich weiß.«
Er drückt meinen Knöchel. Dann ist er verschwunden, und ich bin allein in der engen, kalten Dunkelheit. Kurz darauf höre ich laute Rufe. Man hat sie gesehen, wie sie die Höhle verlassen haben, und nun beginnt die Verfolgungsjagd. Ich bin hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, dass unsere Feinde meinen Begleitern folgen werden, und dem Wunsch, dass sie eher nach mir suchen und Cosmé und Humberto damit eine Möglichkeit zur Flucht bleibt.
Schmerzhaft still kauere ich in meinem Versteck, jeder Muskel angespannt, und lausche. Die Rufe werden leiser. Vielleicht entfernen sie sich von mir. Ich weiß nicht, ob ich erleichtert bin oder nicht.
Dann höre ich leise, schleifende Schritte auf dem Sand.
Mein Herzschlag klingt laut wie Donnerhall in meinen Ohren. Ich wage nicht zu atmen. Sie werden diese Spalte bemerken. Sie werden ein Stück heraufklettern und dieses
so offensichtliche Versteck entdecken. Mir fällt die Tinte in meinem Rucksack ein, und ich wünschte, ich hätte noch Zeit gehabt, mir damit Gesicht und Kleider zu schwärzen. Aber vielleicht hätte mich dann der Geruch verraten.
Der Geruch … die ganze Höhle stinkt noch immer nach schmorendem Hasenbraten. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Humberto und Cosmé und ich, wir hätten jetzt zusammensitzen und gemeinsam essen sollen. Und dann denke ich: Was für eine komische Überlegung, jetzt, so kurz vor meiner Gefangennahme oder sogar meinem Tod.
Die Schritte kommen näher. Leise Männerstimmen unterhalten sich in einer Sprache, die ich nicht verstehe.
Aber plötzlich verstehe ich sie doch. Sie ähnelt der Lengua Classica, obwohl die Silben abgehackter und gutturaler gesprochen werden, als ich es gewohnt bin. Einen Augenblick bin ich so verblüfft, dass ich meine Angst vergesse. Das Volk von Invierne spricht die Lengua Classica?
»Né hay ninguno iqui«, höre ich. Es ist niemand hier.
»Lo Chato né sería feliz si alquino nos escapría.« Die Katze wird nicht zufrieden sein, wenn uns jemand entkommt.
Die kehligen Stimmen klingen lauter, näher. Vor mir, nur eine Armeslänge entfernt, legt sich eine Hand auf den Wasserfall aus Kalkstein, der von der Sonne angestrahlt wird, die durch die Ritzen im Fels hineinscheint. Eine ungeschlachte, blasse Hand. Von Narben durchzogen, die so wulstig weiß wie Brotteig sind.
Bitte, Gott. Lass ihn weggehen.
Ich warte, dass ein Arm in Sicht kommt. Vielleicht sogar ein blasses Gesicht. Ich schließe die Augen und weigere mich hinzusehen. Endlich höre ich: »Né vieo nado.« Ich
sehe nichts. Die Schritte entfernen sich. Jetzt spüre ich, dass ich allein bin. Ein leeres, trauriges Gefühl.
Trotzdem bewege ich mich nicht, denn ich fürchte, es könnte ein Trick sein; vielleicht stehen sie noch am Höhleneingang und warten, dass ich mich zeige. Ich wünschte, ich hätte ein wenig Duermakraut bei mir und könnte den ganzen Albtraum verschlafen. Dann würde ich nach ein paar Tagen aufwachen, entweder gefangen oder frei. Oder ich wäre vielleicht auch tot und würde gar nicht mehr aufwachen. Aber so müsste ich nicht diese entsetzliche Ungewissheit ertragen, diese Angst, nicht zu
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