Der Feuerthron
Unterdessen hatte der Junge mit Hilfe einiger beherzter Flüchtlinge das Segel gesetzt, und das Boot nahm Fahrt auf. Das Ufer mit dem von Menschen überquellenden Fischerhafen blieb hinter ihnen zurück. Für einige Zeit hatte Hannez keine Muße mehr zum Reden, sondern musste alles tun, um sein Schifflein unbeschadet zwischen den anderen Booten hindurchzumanövrieren und den größeren Segelschiffen und Halbgaleeren auszuweichen, die den Handelshafen verließen. Da die Kapitäne der größeren Schiffe keine Rücksicht auf die Flüchtlingsboote nahmen, kamen diese Hannez’ Boot so nahe, dass man von dem höheren Deck aus auf sie hätte herunterspucken können. Unweit von Hannez wurde eine mit Flüchtlingen überladene Schaluppe von einem Kriegsschiff einfach überfahren und unter Wasser gedrückt. Für Augenblicke gellten die Schreie verzweifelter Menschen zu ihnen herauf, dann hatten auch sie diese Stelle passiert, und Hannez richtete seine Aufmerksamkeit nach vorne, um zu verhindern, dass ihnen dasselbe passierte.
Schließlich weitete sich die Bucht zum offenen Meer, und die Schiffe zerstreuten sich. Hannez hielt das Boot aus einem Gefühl heraus näher an Land als die anderen und sah sich kurz darauf bestätigt. Mehrere gurrländische Galeeren und etliche kleinere Schiffe, darunter auch schnittige ardhunische Piratenschiffe, erschienen am Horizont und machten Jagd auf die Flüchtlinge.
»Ihr braucht keine Angst zu haben«, beschwichtigte Hannez seine jammernden und zitternden Passagiere. »Die haben es ersteinmal auf die großen Schiffe abgesehen und lassen kleine Kähne wie diesen hier vorerst in Ruhe. Bis sie Muße finden, sich auch um unsereinen zu kümmern, ist die Nacht hereingebrochen, und dann möchte ich den sehen, der uns aussegeln kann.« Es klang ein wenig großsprecherisch, denn der Kasten, den er fuhr, zählte nicht gerade zu den jüngsten und schnellsten und war zudem stark überladen. Hannez hoffte jedoch, den Kordon der feindlichen Schiffe unter Land passieren und während der Nacht ein schönes Stück See zwischen sich und die Angreifer legen zu können.
Bei seinen Überlegungen störte ihn jedoch das gelbe Segel des gelondanischen Bootes, denn mit einem blauen Tuch, wie es auf Ilyndhir gebräuchlich war, wären sie nach Einbruch der Dämmerung so gut wie unsichtbar gewesen. Er wollte jedoch nicht klagen. Immerhin hatte er Schiffsboden unter den Füßen. Tausende andere hatten es nicht geschafft und würden nun zu Gefangenen der Gurrländer und damit zu deren Sklaven werden. Nach dem, was an diesem Tag geschehen war, war er überzeugt davon, dass dieses Schicksal früher oder später auch Ilyndhir treffen würde, und schmiedete Pläne, wie er schnell nach Hause kommen konnte, um Meraneh dort herauszuholen und mit ihr auf eine kleine, abseits gelegene Insel zu fliehen. Dabei musste er an das gute Bier und das Essen im »Blauen Fisch« denken, und verfluchte im Geiste die Gurrländer, die einem nicht einmal mehr diese kleinen Freuden gönnten.
1
Mera konnte nicht sagen, ob sie traurig se in sollte, dass die Ufer Runias hinter ihnen zurückblieben, oder sich freuen, weil sie noch mal glimpflich davongekommen waren. Bei Hekendialondilans Mutter hatte sie sich sicher gefühlt, doch das war eine Auswirkung des Schutzzaubers von Runia gewesen, der alles Böse und die Unruhe der Menschenwelt fernhalten sollte. Ob dieser Zauber die Macht besaß, die Gurrländer abzuwehren, wagte sie zu bezweifeln. Dennoch hielt sie die Runier für sehr mächtige Wesen. Dem Kaiser von Gurrland würde es gewiss nicht leichtfallen, sie zu unterwerfen. Daher blieb die Hoffnung, den Runiern könnte es diesmal ebenso wie vor tausend Jahren gelingen, den Herrn des Feuerthrons zu stürzen und das unheimliche Ding für immer zu vernichten.
Zum anderen aber war sie traurig und bestürzt, weil es ihr nicht gelungen war, die Spur ihrer Großmutter weiter zu verfolgen. Dabei war sie fest davon überzeugt gewesen, dass sie sich auf Runia befand. Ein wenig hoffte sie, die Runier hätten Merala und Torrix zu sich geholt, um mit ihnen zu beraten, wie sie Gurrland am besten besiegen konnten. Doch nach den Erfahrungen mit jener anderen Runi, die sie und ihre Freunde eingesperrt und versteinert hatte, musste sie annehmen, dass diese ihrer Großmutter ein ähnliches Schicksal bereitet hatte.
»So in Gedanken, Mera?« Im Gegensatz zu seiner Freundin war Girdhan erleichtert, dass sie sich von dieser schrecklichen Insel
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