Der Feuerthron
über Bord und schien zu überlegen, ob er ihn ganz den Wellen überlassen sollte oder nicht. Die Sparsamkeit des armen Fischerjungen siegte schließlich. Auch wenn ihm das Kleidungsstück zu groß war, so konnte er es doch als Decke benutzen und sich des Nachts darin einhüllen.
Doch als er den Umhang ein paarmal im Wasser geschwenkt hatte und wieder an Bord holte, erlebte er eine Überraschung. Der Mantel war geschrumpft und gerade noch so groß, dass er ihm passte.
»Aber das ist ...«, begann Kip.
Girdhan unterbrach ihn lachend. »... Zauberei, mein Guter! Das ist ein Runimantel, und damit ein magisches Kleidungsstück. Ich weiß nicht, ob er sonst noch etwas kann, außer sich seinem Träger anzupassen, aber auf jeden Fall sieht er jetzt wieder aus wie neu.«
Das sah Kip ebenso, und er bemerkte noch etwas anderes. »Der Umhang ist ganz trocken. Dabei habe ich ihn doch eben erst gewaschen!«
»Wie dein Freund schon sagte: Es ist ein Zauberumhang. Wenn du ihn trägst, wirst du niemals nass werden, auch wenn es noch so sehr regnet«, erklärte Reodhendhor.
Nach dieser Auskunft wuchs der Wert des Kleidungsstückes in Kips Augen ungemein. »Ich glaube, dieser Umhang wird mir noch wertvolle Dienste leisten, wenn ich an Bord meines Schiffes durch Regen und Sturm zu den besten Fanggründen für Goldgarnelen fahre!«
»Dann sollten wir erst einmal dafür sorgen, dass du wieder zu den Garnelenbänken fahren kannst!« Mera hatte diese Worte nur vor sich hin gesagt, aber ihre Freunde vernahmen sie und sahen so aus, als hätte man sie mit Eiswasser übergossen. Ihre Augen richteten sich nach Süden, nach Girdania, das bald am Horizont auftauchen musste. Dahinter lag ihr Ziel – Gurrland!
2
König Tendel von Malvone stand an der Reling seines Flaggschiffes und starrte mit trüben Augen aufs Meer hinaus. Er befand sich auf der Flucht. Während der Feind mehr als fünf Jahre gebraucht hatte, um Gelonda zu unterwerfen, war Malvone in nicht einmal zwei Wochen gefallen. Nun schämte er sich, weil sein Volksich als weniger zäh erwiesen hatte als die mit ihm verwandten Gelondaner. Mehr als das kränkte ihn aber noch sein eigenes Versagen. Als die Niederlage seines Heeres abzusehen gewesen war, hatte er nicht den Mut aufgebracht, bis zum Letzten auszuharren und in der Schlacht zu fallen. Stattdessen war er mit seinen Offizieren gegangen, die ihn vom Schlachtfeld weggeführt und auf das vorbereitete Schiff gebracht hatten.
Nun fragte er sich, welcher Ausweg ihm noch blieb. Teren, auf dem Menschen einer ihm zugewandten Farbe lebten, würde das nächste Opfer der Gurrländer werden, und dahinter gab es nur noch das Doppelreich Ilyndhir-Wardania mit seiner blauen Bevölkerung. All die Jahre hatten er und seine Getreuen über ihre Farbfeinde gespottet und sich geschworen, Teren aus deren Herrschaft zu befreien. Nun würde er Ilyndhirs Boden als Flüchtling betreten, und ihm war klar, dass die Gurrländer nicht viel später dort auftauchen würden als er selbst.
Mit verbitterter Miene drehte er sich zu seinem Hofmagier um, der erschöpft auf einem Hocker neben dem Mast saß und noch zu begreifen versuchte, was geschehen war.
»Warum fliehen wir überhaupt noch?«, fragte er Ethrul. »Wäre es nicht besser, das Schiff zu wenden und den Tod im ehrlichen Kampf zu suchen?«
Ethrul erhob sich so schwerfällig wie ein Greis und trat neben seinen König. »Wir fliehen, weil in all der Dunkelheit, die uns umgibt, noch ein Funken Hoffnung existiert, Majestät. Die Macht unseres Feindes scheint unüberwindlich, und er bedient sich aller Mittel, um sie noch zu vergrößern. Er will sich zum Herrn aller Inseln aufschwingen, so wie es einst Wassuram getan hat. Doch selbst dieser schier übermächtige Schwarzland-Magier ist zuletzt aufgehalten und besiegt worden. Alten Berichten konnte ich entnehmen, dass die Chancen damals noch schlechter standen als heute.«
»Chancen?« Der König lachte kurz auf. »Welche Chancen sollten wir denn noch haben? Da gibt es nichts mehr! Du willst michwegen eines Hirngespinstes, das du Hoffnung nennst, zwingen, mein Knie vor der blauen Herrscherin des Nordens zu beugen und wie ein Bettler um ein Stück Brot und Obdach zu flehen!«
»Der Plan unseres Feindes weist einen Fehler auf! Bis jetzt sieht es zwar so aus, als würde für ihn alles ausgezeichnet laufen, auch auf den Nördlichen Inseln. Torrix und die alte Merala, auf deren Wissen auch ich große Hoffnungen gesetzt habe, sind verschwunden, und die
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