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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Gesicht.
    »Macht Euch jetzt für die Reise fertig! Die Schiffe warten, und den Berichten zufolge, die ich vorhin erhalten habe, wurden gurrländische Galeeren vor der Südküste Ilyndhirs gesichtet.«
    »Wieso habe ich nichts davon erfahren?« Für ein paar Augenblicke sah es so aus, als wolle die Königin ihre Entscheidung, Yanga das Kommando über Ilyndhir und die Hauptstadt zu übergeben, zurücknehmen. Da flammten die Augen der Hexe kurz auf, und Ilna sank schwer atmend auf ihren Thron zurück.
    »Es lastet so viel auf mir! Weshalb muss ich ausgerechnet in dieser schlimmen Zeit Königin sein? Keine meiner Vorfahrinnen musste eine solche Verantwortung tragen oder war solchem Schrecken ausgesetzt!«
    »Ich helfe Euch nach Kräften, Majestät! Die Sichtung der gurrländischen Schiffe habe ich Euch nur verschwiegen, damit Ihr nicht mit einer zusätzlichen Belastung diesem Grünling gegenübertreten musstet. Nun seht Ihr sicher selbst ein, dass Ihr Ilynrah schnellstmöglich verlassen müsst!«
    »Das tue ich ja! Aber wird mein Volk es verstehen?« Die Königin brach in Tränen aus.
    Yanga winkte mehrere Dienerinnen herbei und wies sie an, Ilna V. in ihre Gemächer zu geleiten und auf die Reise vorzubereiten. Dann verließ sie mit wehendem Federmantel den Audienzsaal und schritt durch den Garten zu jenem Teil des Palastes, in dem der Magierturm stand.
    Von den anderen Hexen und den Adepten ließ sich niemand sehen, denn keiner hatte Lust, von Yanga zu einem jener Himmelfahrtskommandos eingeteilt zu werden, die bereits ihren besten Magiern das Leben gekostet hatten. Unter ihnen waren zwei Hexen gewesen, die Yanga eines Tages übertroffen hätten.
    Die Zweite Hexe kümmerte sich nicht um die Untergebenen, sondern suchte ihre Gemächer auf, verschloss diese so sorgfältig, dass man sie auch durch Magie nicht belauschen konnte, und trat in ihre Schlafkammer. Der Raum sah noch unordentlicher aus als früher. Magische Artefakte, die sie begonnen, aber nicht fertiggestellt hatte, lagen zwischen uralten Folianten, aus denen teilweise Blätter herausgerissen worden waren, und anderen Dingen. Sogar ein angebissener Apfel lag herum, den ein flüchtig gesprochener Erhaltungszauber gegen Fäulnis schützen sollte.
    Yanga nahm das Chaos um sie herum wahr und ärgerte sich über ihre eigene Nachlässigkeit. Das Gefühl schwand aber sofort wieder, als habe es jemand weggewischt. Sie schüttelte sich kurz, als würde sie frieren, räumte einige Sachen beiseite und holte das Silbergefäß hervor, in dem sie ihren Talisman verwahrte.
    Das Sechseck aus schwarzem Kristall glühte auf, als sie es berührte. Ihr Atem ging stoßweise, und für einige Augenblicke schien es, als sauge das Ding alle Magie aus ihr heraus, anstatt ihr weitere zu schenken. Dann aber floss neue Kraft in einem so mächtigen Strom zu ihr hinüber, dass sie sich unter schier unerträglichen Schmerzen krümmte. Es war, als brenne die dunkle Magie wie Feuer in ihren Adern.
    Als sie wieder Luft bekam, klang ihre Stimme so leblos wie die einer magischen Puppe. »Es ist alles bereit, mein Gebieter. Die Evakuierungsschiffe verlassen noch heute Ilynrah. Der König von Malvone wird mit ihnen fahren. Die Stadt erwartet die Ankunft Eurer Truppen!«
    Sie wollte noch etwas sagen, doch sie verlor die Konzentration und stammelte nur noch wie eine Schwachsinnige. Sogleich zuckte ein schwarzer Blitz aus dem Kristall und schlug in ihre Stirn ein. Sie sah erstaunt auf und wischte sich mit dem Handrücken über die Augenbrauen. Dann legte sie den Talisman mit bedächtigen Bewegungen in sein Silbergefäß, ließ sich auf ihr Bett fallen und schlief sofort ein. Als sie Stunden später wieder erwachte, waren die Schiffe mit der Königin und ihrem Gefolge bereits auf See. Yanga dachte jedoch nicht an die Flüchtlinge, sondern an ihren letzten visionären Traum, der ihr gezeigt hatte, dass jeder Widerstand gegen Gurrlands Macht Wahnsinn wäre.
4
    Trotz der Bedenken seines Gefolges fuhr Tende l von Malvone auf Königin Ilnas Flaggschiff mit. Er musste mit ihr reden, denn er kannte den Feind besser als sie und wusste, was von ihm zu halten war. In diesen Stunden, in denen die kleine Flotte die Bucht von Ilynrah verließ, begriff er, wie falsch es gewesen war, in den Ilyndhirern nur Farbfeinde zu sehen. Als Gurrland seinen Eroberungszug begonnen und Girdania eingenommen hatte, wäre es an der Zeit gewesen, ein Bündnis zu schließen und geschlossen gegen den Feind vorzugehen. Doch diese

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