Der Feuerthron
Einsicht kam zu spät.
Obwohl er keine Hoffnung mehr hatte, wandte er sich zu Königin Ilna um, die mit zusammengepressten Lippen auf einem Stuhlauf dem Achterdeck saß. »Wir werden zurückkommen, Euer Majestät, und diesen Abschaum ins Meer kehren.«
Ilna war klar, dass Tendel nicht meinen konnte, was er sagte. Der König glaubte nicht mehr an einen Sieg, sondern wollte vor ihr und vor sich selbst nicht als Feigling dastehen. Sie selbst fühlte sich ebenso mutlos und bedauerte, nicht mit einer einfachen Frau aus ihrem Volk tauschen zu können. Die Last, die auf ihren Schultern ruhte, wollte sie schier erdrücken.
»Kann es noch einen Sieg geben, Tendel? Im großen Krieg, von dem unsere Sagen erzählen, stand das Volk der Runier auf unserer Seite. Ich habe mehrfach Schiffe ausgeschickt, die meine Bitte der Königin von Runia übergeben sollten. Aber keines von ihnen vermochte den magischen Schirm, der um diese Insel liegt, zu überwinden.«
»Bei uns war das nicht anders. Immer wieder habe ich Schiffe ausgesandt, um Runia um Hilfe zu bitten. Aber keinem Kapitän ist es gelungen, die Insel auch nur zu Gesicht zu bekommen. In höchster Not hat Ethrul unsere letzten Hexen und Adepten zusammengerufen und einen verzweifelten magischen Ruf gesendet. Doch auch dieser blieb unbeantwortet. Runia hat uns vergessen.« Tränen rannen dem harten Krieger über die Wangen, und er krampfte seine Fäuste um das Holz der Reling.
»Wir sind verloren! Alle, die wir leben!« Die Königin seufzte tief und starrte dann besorgt auf das Meer hinaus. Noch hatten sie die Drachenzähne nicht passiert. Schon bei Tag war dieses Meeresgebiet nicht ungefährlich, doch in der Nacht brauchte man einen Ausguck mit scharfen Augen und einen Steuermann, der sein Handwerk verstand. Nach den herben Verlusten, welche die ilyndhirische Flotte in letzter Zeit erlitten hatte, befürchtete die Königin, dass nicht alle Rudergänger der kleinen Flotte ihrer Aufgabe gewachsen waren.
Sie hätte sich in dieser Sache keine Sorgen machen müssen, denn an den Steuerrädern und Pinnen standen Fischer aus demniedergebrannten Sechstel südlich des Flusses, und die kannten die schroffen Klippen besser als jeder königliche Matrose.
Als der Morgen graute und Ilna bereits zu hoffen begann, sie würden auch den Rest dieser Fahrt unbeschadet überstehen, gellte ein Schreckensruf vom Ausguck herab.
»Schwarze Galeeren voraus!«
Tendel rannte zum Bug. Auch Ilna vergaß, was sie ihrer Stellung schuldete, und zwängte sich durch die Leute, die nach vorne strömten, um zu schauen.
Der Anblick war entsetzlich. Sechs große Galeeren versperrten ihnen den Weg, und sie wurden von mehr als einem Dutzend kleinerer Segler begleitet, von denen die meisten unter dem violetten Banner der ardhunischen Inseln fuhren.
»Verfluchte Verräter!«, rief Ardheela von Ardhunar, der es wie König Tendel gelungen war, sich bis Ilynrah durchzuschlagen.
Die Königin wandte sich mit bleichem Gesicht an den Kapitän, der sich neben sie gestellt hatte.
»Können wir ihnen entkommen?«
Der Mann zog seinen prachtvollen Hut mit dem Besatz aus blauen Federn vom Kopf und warf ihn auf das Deck. »Der Wind steht zu schlecht. Wir müssten dagegen ankreuzen, und da sind sowohl die Galeeren wie auch das ardhunische Piratengesindel schneller als wir. Mit dem Wind könnten wir nur in Richtung der Drachenzähne segeln, aber dorthin zu steuern ist gleichbedeutend mit Selbstmord.«
»Tu es trotzdem. Ich will diesen Ungeheuern nicht lebend in die Hände fallen!«
Die Königin erwartete, dass der Kapitän den entsprechenden Befehl geben würde, doch weder ihm noch dem Großteil seiner Besatzung und Passagiere lag etwas daran, bereits an diesem Tag zu sterben. Mit einer müden Bewegung trat er auf seinen Stellvertreter zu und wies nach oben auf den Mast, auf dem das blaue ilyndhirische Königsbanner mit drei rot-silbernen Blumen flatterte.
»Streicht die Flagge! Aber rasch, sonst bohren sie uns in den Grund.«
»Ich verbiete es!«, rief die Königin.
Doch niemand hörte auf sie. Alle schienen zu hoffen, dass der Albtraum, der sie so lange Zeit gequält hatte, nun zu Ende gehen würde und sie einfach unter einer anderen Herrschaft weiterleben konnten.
Mit von Tränen verschleierten Augen sah die Königin, wie ihre Fahne eingeholt wurde. Der Mann, der es tat, wollte sie nicht in die Hände der Feinde fallen lassen. Deswegen wickelte er sie um einen schweren Gegenstand, wand ein Seil darum und warf sie ins
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