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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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gefunden und für sich behalten.«
    »Mir hat sie nie etwas davon gesagt.« Die Königin, die sich nicht nur für die nächste Verwandte, sondern auch für die beste Freundin ihrer Cousine gehalten hatte, klang enttäuscht.
    Der alten Runi wurde klar, dass die Ausstrahlung der Gegenfarbe Menanderah lähmte. Die Königin wirkte verwirrt und konnte die Tragweite der Entdeckung noch nicht so recht begreifen. Also musste Reodhilan die Initiative ergreifen.
    Sie nahm das Kästchen an sich und zeigte es den Runi, die sich im Haus versammelt hatten. »Was ihr hier erlebt, ist die Aufdeckung des schlimmsten Verrats, der unser Volk je getroffen hat. Sianderilneh, die selbsternannte Wächterin all unserer Geheimnisse, hat dieses Ding hier vor uns verborgen und dadurch mehr Schaden angerichtet, als alle Gurrlandheere ihn hätten verursachen können. Mit Hilfe des Kristalls, der hier drinnen liegt, ist es dem Kaiser auf dem Feuerthron gelungen, Sianderilneh unsere geheimsten Pläne und Gedanken zu entreißen. Auch hat er unser eigenes Handeln beeinflusst und dafür gesorgt, dass Sianderilneh den Lebenswillen und die Kraft unserer Königin untergraben hat. Wir werden unsere gesamte Insel und auch die kleinen Schären und Eilande darumherum durchsuchen müssen, um all die Zauber zu entdecken und auszuschalten, die gegen uns gerichtet sind. Hütet euch jedoch davor, allein zu gehen und auf eigene Faust zu handeln. Ihr habt Hekerenandils Verletzungen gesehen und die ihrer Tochter gespürt. Ich will nicht, dass einem von euch das Gleiche passiert.«
    »Es ist alles so schrecklich«, flüsterte Menanderah.
    Reodhilan winkte zwei jüngere Runifrauen zu sich. »Bringt die Königin zu unserem Heiligen Baum, damit sie dort neue Kraft schöpft. Sie ist zu lange von ihrer Cousine beeinflusst worden, und es wird viel Zeit verstreichen, bis ihre Gedanken wieder frei sind.«
    Unterdessen hatte Hekerenandil sich an den anderen vorbeigezwängt und fasste Reodhilan am Ärmel. »Wenn ich dich recht verstehe, hat der Herr des Feuerthrons sich Sianderilnehs bedient, um unserem Volk zu schaden. Also ist meine Tochter in höchster Gefahr!«
    Panik durchflutete sie, doch sie kämpfte heftig dagegen an. »Was ist mit der Weissagung der Königin? Ist sie echt oder auch nur eine List unseres Feindes?«
    »Die Prophezeiung ist echt. Aber ihre Auslegung scheint eher die Vorstellungen des Verräter im Süden zu unterstützen, als unser Volk und das Inselreich zu schützen«, erklärte Reodhilan.
    »Es war Sianderilnehs Idee, den Magier und die Hexe von Ilyndhir zu entführen, und damit wohl die des Kaisers! Wir haben das blaue Volk seiner besten Kräfte beraubt und dem Herrn des Feuerthrons freie Hand gegeben, die Nördlichen Inseln zu erobern.«
    Hekerenandils Anklagen prasselten wie Hagelkörner auf die anderen Runi herab. Die meisten hatten sich Sianderilnehs Meinung angeschlossen und darauf gedrängt, das Geheimnis von Runia vor den Menschen zu bewahren. Nun mussten sie erkennen, dass sie damit nur dem Feind geholfen hatten.
    »Es ist viel unschuldiges Blut vergossen worden, weil wir die Augen abgewandt und uns in falschen Stolz geflüchtet haben«, ergänzte Reodhilan Hekerenandils Worte. Dann sendete sieMenanderah die Bitte, die beiden Gefangenen freizugeben, und sandte ein Stoßgebet zu Meandir und Talien, dass die Königin und magische Herrin von Runia anders als Sianderilneh nicht völlig unter den Bann des Feindes geraten war, sondern noch einen klaren Gedanken fassen konnte.
11
    So viele Runi wie diesmal hatten sich seit Jahrhunderten nicht auf dem Versammlungsplatz um den Heiligen Baum eingefunden. Auch die Königin erschien und setzte sich wie gewohnt auf ihren Stuhl, der direkt an dem weißsilbernen Stamm stand. Sie wirkte blass, beinahe durchscheinend, war aber nun gewillt, sich der Verantwortung für ihr Volk zu stellen. Alle spürten, dass sie die Angst vor der Wahrheit, die ihre Cousine ihr eingeredet hatte, abgelegt hatte.
    Zwei ihrer Begleiter trugen den Hofmagier von Ilyndhir und Meras Großmutter. Die beiden Menschen waren noch versteinert, und ihre Geister lagen im tiefen Schlaf. Menanderah ließ die beiden vor sich ins Gras legen und wandte sich an ihr Volk. »Vor kurzer Zeit haben wir hier an dieser Stelle beschlossen, diese beiden Menschen auf ewig gefangen zu halten, auf dass unsere Schande nicht offenbar werde. Ohne dass wir es wussten, wurden wir zum Opfer unseres eigenen Stolzes, den der Feind geschickt auszunutzen wusste. Mit

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