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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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hatte. Keiner der Runi, der Zeuge dieses Gesprächs geworden war, konnte sich erinnern, dass zwischen zwei Angehörigen ihres Volkes jemals solch harte Worte gefallen waren. Etliche, die bis dahin auf der Seite der Königin und ihrer Cousine gestanden hatten, waren daraufhin umgeschwenkt und zählten nun zu Hekerenandils Anhängern. Dennoch wusste Hekerenandil, dass keiner von ihnen gutheißen würde, was sie jetzt tat.
    Am Rande von Sianderilnehs privatem Wald blieb sie kurz stehen und sah sich um. Die Bäume und Büsche sahen aus wie immer, und doch lag über allem ein düsterer Hauch, der ihr nicht gefiel. Einer der Sträucher, der eigentlich voller Beeren hätte hängen müsste, wirkte, als wäre er eben bis auf ein paar wie vergessenwirkende Früchte abgeerntet worden. Da stimmte etwas nicht, denn seit Sianderilneh die Insel verlassen hatte, war niemand mehr hier gewesen. Verwunderlich war auch, wie viele Pfeilbüsche sich auf diesem Stück Land befanden. So, wie sie sich aufgestellt hatten und sich langsam bewegten, schienen sie etwas zu bewachen.
    Hekerenandil legte die Stirn in Falten. Auf Runia gab es keine Diebe, und Fremde konnten die Insel nicht unbemerkt betreten. Zudem hatte es seit fast einem Jahrtausend keine Besucher mehr gegeben, wenn man von den Kindern und den beiden entführten Menschen absah. Dennoch zeigten Sianderilnehs Pflanzen dieses ungewöhnliche Verhalten. Auch wirkte das gesamte Waldstück so, als läge es unter dem Einfluss eines fremden Willens. Das betraf insbesondere den großen, einzeln stehenden Baum in der Mitte, dessen Zweige Sianderilnehs Wohnstätte schützend umhüllten.
    Hekerenandil war es, als spüre sie einen Hauch schwarzer Magie, der von diesem Baum ausging. Aber das war völlig unmöglich. Sie schüttelte den Gedanken ab und ging auf den Wohnbaum zu. Sofort versperrten ihr mehrere Pfeilbüsche den Weg und raschelten warnend mit ihren Zweigen.
    Verblüfft hielt Hekerenandil inne, hob gebieterisch die rechte Hand und gab den Büschen den Gedankenbefehl, ihr den Weg frei zu machen. Die Pflanzen wichen ein Stück zurück, und die Runi ging weiter. Aus den Augenwinkeln sah sie jedoch, wie drei der Pfeilbüsche Dornen auf sie richteten, und sie vernahm den schnalzenden Laut, mit dem diese abgeschossen wurden. Sie wollte noch einen Schutzzauber weben. Doch ehe sie ihre Kräfte gesammelt hatte, traf der erste Pfeildorn sie in den linken Oberschenkel, der zweite in die rechte Schulter, während der dritte ihren rechten Unterarm durchschlug.
    Hekerenandil schrie vor Schmerz auf und stürzte. Noch im Fallen versteifte sie sich, um die Pfeilbüsche nicht durch eine Bewegung weiter zu reizen. Gleichzeitig sendete sie Hilferufe aus und auch den Schmerz, der in ihr wühlte.
    Eine Weile lag sie starr wie eine Tote am Boden, während die Pfeilbüsche um sie herumwanderten und sich nicht im Klaren zu sein schienen, ob sie den Eindringling bereits erlegt hatten, oder weiter auf ihn schießen sollten.
    Ein seit tausend Jahren nicht mehr gekanntes Gefühl von Hass stieg in Hekerenandil auf, und sie wünschte sich die Kraft, diese Büsche mit Stumpf und Stiel auszureißen und ins nahe Meer zu schleudern. Die Erinnerung an Hekendialondilan brannte in ihr auf. Sie war ebenfalls von Pfeilbüschen beschossen worden, die unter Sianderilnehs Zauber gestanden hatten. Damals hatte die Cousine der Königin es so hingedreht, als wäre es ein unglücklicher Zufall gewesen. Jetzt aber steckte der Beweis in ihrem Fleisch, dass Sianderilneh ihre Büsche auch gegen andere Runi einsetzte, und sie fragte sich, wie die Königin auf diese Tatsache reagieren würde.
    Gedankenwellen, die nach ihr tasteten, meldeten ihr die Ankunft von Freunden. »Gebt acht! Die Büsche schießen auf euch!«, warnte sie sie und spürte, wie die anderen überrascht stehen blieben.
    »Hekerenandil, was ist mit dir?«, fragte Reodhilan, die alte Runi, die während der letzten Ratsversammlung mehr auf ihrer Seite als auf der der Königin gestanden hatte.
    Hekerenandil öffnete ihren Geist, damit die anderen in sie hineinschauen und ihre Verletzungen sehen konnten. Die Antwort war ein tröstender Strom schmerzstillender Magie, in dem aber auch das Entsetzen über diesen Zwischenfall mitschwang.
    »Das muss die Königin sehen«, erklärte Reodhilan und sandte einen Ruf aus, um Menanderah herbeizuholen und möglichst viele andere Runi an diesem Ort zu versammeln. Mehrere junge männliche Runi wollten zu Hekerenandil vordringen, um ihr

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