Der Feuerthron
diesen Worten stimmte Reodhilan ein Lied an, in das die anderen Runi einfielen. Merala ertappte sich dabei, wie sie die Melodie mitsummte, und auch Torrix, dessen Talent im Singen eher gering war, machte mit, als hinge sein Leben davon ab.
Eine Weile tat sich gar nichts. Die Küste kam immer näher, und jetzt konnten alle die Gurrlandtruppen sehen, die dort Stellung bezogen hatten. Auf See schlossen die Schwarzen Galeeren den Halbkreis immer enger um die drei Runischiffe, und es sah so aus, als gäbe es keinen Ausweg für die kleine, verwegene Schar.
Gerade in dem Augenblick, in dem der Großmarschall des gurrländischen Reiches den Sieg bereits greifbar nahe wähnte, steigerte sich der Gesang zu einem Tosen, das weit über das Meer hallte. Dann verschwanden die Runi und ihre blauen Begleiter vor den Augen der überraschten Feinde, als hätte die Luft sie verschlungen.
7
Merala tauchte in völliger D unkelheit wieder auf und glaubte sich im ersten Augenblick allein. Da spürte sie neben sich eine blaue Präsenz und atmete auf.
»Torrix, bist du es?«
»Wer soll ich denn sonst sein?« Die knurrige Stimme des Magiers verriet seine Erregung. »Hast du eine Ahnung, was mit uns passiert ist? Haben die verdammten Spitzohren uns vielleicht verraten?«
»Das mit den verdammten Spitzohren will ich überhört haben«, antwortete Reodhilan kichernd. »Wie es aussieht, ist unser Zauber gelungen. Das Gesicht der Gurrims hätte ich sehen mögen, als sie auf einmal nur noch leere Schiffe vor sich hatten.«
»Was war das für ein Zauber?«, wollte Torrix wissen.
»Ein Versetzungszauber. Sag bloß, das hast du nicht mitbekommen! Ihr Menschen habt viel verlernt, seit wir das letzte Mal Seite an Seite gekämpft haben.«
»Wir werden ja auch nicht so alt wie ihr. Obwohl ich mit meinen fast vierhundert Jahren sogar für eine menschliche Hexe recht alt bin«, gab Merala zurück.
»Ihr könntet viel länger leben, wenn ihr eure Kräfte entsprechend schulen würdet!«
»Mich interessiert nicht, wie lange wir theoretisch leben könnten, sondern wo wir uns gerade befinden«, brummte Torrix und sprach einen Lichtzauber. Eine kleine, blaue Flamme flackerte auf seiner Handfläche auf und erhellte die nächste Umgebung. Mehr als eine feuchte Felswand vermochte er jedoch nicht zu sehen.
Als er mehr Licht erzeugen wollte, legte Reodhilan ihm die Hand auf die Schulter. »Lass das! Oder willst du den Kaiser oder irgendeinen seiner Untertanen auf uns aufmerksam machen?«
Torrix’ Flamme erlosch, und sie standen wieder im Dunkeln. Sonderbarerweise waren Merala und die Runi für seine magischenSinne nur noch kaum erkennbare Schatten. Also schien auch an diesem Ort eine Art Dämpfungsfeld zu herrschen. Verärgert wollte der Magier Reodhilan fragen, wohin sie sie gebracht hatte. Da sendete die alte Runi einen kurzen Gedankenbefehl. Mehrere Leuchtsteine flackerten auf und spendeten ein unangenehm graues Licht. Da es von schwarzer Magie gespeist wurde, stöhnten einige Runi angewidert auf.
Reodhilan fuhr herum. »Jetzt stellt euch nicht so an! Vor tausend Jahren haben wir ganz anderen magischen Gewalten gegenübergestanden.«
»Du warst damals noch gelb und hast es nicht so gespürt«, wandte eine der anderen Runifrauen ein.
»Es standen genug Meanruni auf unserer Seite, und sie haben nicht einmal geklagt, wenn schwarze Flammenlanzen in ihre Leiber eindrangen!«
»Das konnten sie auch nicht mehr, weil sie dann tot waren«, murmelte einer, doch Reodhilan ging auf diese Bemerkung nicht ein.
Sie zeigte in die Richtung, die ihnen die Leuchtsteine wiesen. »Das ist unser Weg. Und bevor mich jemand fragt: Dies hier ist ein geheimes Versteck in einer natürlichen Höhle, die zum größten Teil durch silberdurchsetztes Gestein führt, das unsere magischen Spuren verwirbelt. Also kann kein noch so starkes Artefakt uns hier aufspüren, es sei denn, es ist zufällig direkt auf die Stelle gerichtet, an der wir materialisiert sind. Wir haben diesen Stützpunkt im Großen Krieg eingerichtet, und da wir zu jener Zeit noch Taliens Gelb trugen, waren wir sogar in der Lage, erbeutete schwarzmagische Gegenstände zu verwenden. Heute könnte auch ich das nicht mehr tun. Aber diese alte Anlage wird uns helfen, den Feind zu überlisten.«
Diesmal gab es keine Einwände. Alle spürten die schwarze Magie, die trotz der Silberadern aus den Felswänden drang. Sie war stärker als an jedem anderen Ort, den sie bisher aufgesucht hatten. Also musste das Zentrum des
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