Der Feuerthron
alte Hexe schnaufte nervös. »Ich weiß nicht, was Mera treibt. Sie muss doch wissen, dass dieser Weg in einer Katastrophe enden muss!«
»Sie hätte Hekendialondilan nicht mitnehmen dürfen«, warf Hekerenandil ein, die sich an all die Schreckensbilder erinnerte, die noch von dem damaligen Krieg auf ihrer Seele lasteten.
Reodhilan wies sie zurecht. »Deine Tochter ist freiwillig mitgegangen! Also gib nicht dem blauen Mädchen die Schuld. Du hast das Boot deiner Tochter doch selbst verhört.«
Sie waren unterwegs auf Hekendialondilans Boot gestoßen, das allein auf dem Weg nach Runia gewesen war, und hatten überraschende Neuigkeiten von ihm erfahren. Ein gelber Geisterruni begleitete die Kinder, und er war es wohl auch gewesen, der ihnen eingeredet hatte, nach Gurrland zu ziehen.
Reodhilan konnte sich nicht vorstellen, was diesen Mann antrieb. Die Geister von Toten, die nicht zu den Seelendomen der Götter gingen, waren zumeist auf eine seltsame Weise mit der Welt verbunden, welche ein lebender Runi oder Mensch nicht begriff, und dieser Mann schien ein besonderes Wissen um den Feuerthron zu besitzen. Das irritierte Reodhilan weniger als die Tatsache, dass das Boot den Fremden als Hüter des Arghan bezeichnet hatte. Das machte sie neugierig, denn im Großen Krieg war ihr Sohn der beste Freund eines riesigen Arghan namens Argutano gewesen. Er hatte den schwer verletzten Arghan auf seiner Reise zu einer Quelle begleitet, an der dieser hatte genesen wollen. Seit jener Zeit hatte sie nichts mehr von Reodhendhor gehört und auch nichts von Argutano. Daher nahm sie an, dass beide umgekommen waren. Auchschien es kein anderes dieser mächtigen, Feuer speienden Wesen mehr zu geben.
Letzteres sagte sie auch zu Merala. Deren Wissen war jedoch weitaus geringer als das ihre. Die alte Heilerin kannte Arghan nur als Sagenfiguren und zuckte hilflos mit den Schultern.
»Wir Menschen haben in diesen tausend Jahren zu viel verlernt und uns zu sehr nach unseren magischen Farben ausgerichtet. Wir haben uns auf Farbfeindschaften konzentriert, anstatt im Gedächtnis zu behalten, was wirklich wichtig ist.«
»Ich nehme an, dass dies ebenfalls eine Auswirkung des Feuerthrons ist. Wir hatten ihn zwar in seine Einzelteile zerlegt, doch die einzelnen Kristalle besaßen immer noch sehr viel Macht und vermochten den Lauf der Dinge im Geheimen zu lenken. Obwohl behauptet wurde, dieses mächtige Artefakt besäße keine eigene Persönlichkeit, vermute ich doch, dass dem Feuerthron ein künstlich geschaffener Geist innewohnt, der dessen Zerstörung überstanden hat.« Reodhilan seufzte und maß dann erneut die Entfernung zur Küste.
Einer ihrer Begleiter, der als guter Fernspürer bekannt war, wies auf das Land. »Dort versammelt sich bereits ein vielköpfiges Heer, um uns in Empfang zu nehmen.«
Reodhilan lächelte amüsiert. »Die armen Kerle. Fast könnten sie mir leidtun, denn sie werden umsonst auf uns warten.«
Sie winkte den anderen Schiffen zu und befahl den Besatzungen, so nah nebeneinander zu fahren, dass die Bordwände sich berührten.
»Wir müssen uns an den Händen fassen können, vergesst das nicht! Wer das versäumt, wird sich bald sehr vielen Gurrims gegenübersehen!« Mit einem zufriedenen Lächeln reichte sie Merala die Rechte und fasste mit der Linken Hekerenandils Hand.
»Gebe Meandir, dass wir deine Tochter bald wiedersehen und auch deine Enkelin, blaue Hexe. Ich habe mit deiner Urgroßmutter zusammen gegen Wassurams Heere gekämpft, bis sie ihr Lebengegeben hat, um viele von uns zu retten. Sie war eine große Kriegerin, und ich wünschte, sie stünde auch jetzt an unserer Seite.«
»Du wirst dich mit mir und Torrix begnügen müssen!« Meralas Anspannung war so groß, dass sie zu zittern begann. Sie hatte nicht weniger Angst um Mera als Hekerenandil um ihre Tochter. Diese war immerhin eine Runi, und damit kräftiger und ausdauernder als ein normales Menschenkind.
Ein scharfer Ruf Reodhilans unterbrach Meralas Überlegungen, und sie fragte sich, was jetzt kommen würde.
»Öffne deinen Geist und tu genau das, was ich tue. Das gilt auch für dich, Magier. Und ihr, meine Freunde, singt jetzt, als ob ihr Cayri wärt!«
»Was sind Cayri?«, fragte Merala verwirrt.
»Verwandte von uns, in deren Liedern mehr Magie steckt, als du und alle hier euch vorstellen könnt. Und jetzt sei still. Wir kommen sonst zu nahe an die Gurrims und deren Dämpfungsartefakte heran. Ich will denen nicht vor die Füße fallen!« Nach
Weitere Kostenlose Bücher