Der Feuerthron
ausrichten und das Ding auch nicht entfernen konnte. Hier waren Fingerfertigkeit und ein scharfer Blick gefragt. Er kramte in der Innentasche seines Umhangs, bis er ein Stück Silbergewebe gefunden hatte, und schnitt es mit seinem Messer zurecht.
»Jetzt bräuchte ich ein wenig Klebstoff«, sagte er zu Merala.
Die alte Frau spuckte in die Hände und veränderte die Flüssigkeit mit ihren Kräften, bis sie zu einem zähen Brei geworden war. »Hier, das müsste gehen!«
Torrix verstrich die Masse auf der Rückseite des Silbergeflechts und klebte dieses dann auf das Spähauge des Artefaktes. »Beinahe fühle ich mich wieder jung. Solche Scherze haben wir uns als Adepten geleistet, wenn wir auf einen Krug Bier in die Stadt gehen wollten, aber keinen Ausgang hatten. Der damalige Hofmagier hat uns aber trotzdem einmal erwischt und zur Schnecke gemacht, aber erst beim elften oder zwölften Mal.«
»Der Mann ist auch einmal jung gewesen!« Merala lächelte versonnen. Bei dem Magier, von dem Torrix sprach, hatte es sich um ihren Vater gehandelt, der mit der Zweiten Hexe verheiratet gewesen war. Beide hatten sich schon vor mehr als zweihundert Jahren zu Ilynas Seelendom aufgemacht. Sie hätte die Nachfolgerin eines der beiden werden sollen, sich aber mit dem Posten der Hofheilerin begnügt. Vielleicht war das ein Fehler gewesen. Als Hofmagierin oder als Zweite Hexe hätte sie wahrscheinlich früher etwas überden verhängnisvollen Wandel im Land erfahren und etwas dagegen unternehmen können. Als sie jedoch an die Machtmittel dachte, die dem Kaiser auf dem Feuerthron zur Verfügung standen, wurde ihr klar, dass sie auch dann vermutlich keine Chance gegen ihn gehabt hätte.
»So, jetzt können wir die anderen holen!« Zufrieden mit seinem Werk kehrte Torrix zu der magischen Pforte zurück. Merala blieb am Ausgang der Grotte stehen und blickte von den Höhen des Berges auf die Hauptstadt von Gurrland hinab. Als junges Mädchen war sie schon einmal hier gewesen. Damals hatte es noch keinen Kaiser gegeben, und niemand hätte gedacht, dass die Gurrländer erneut ausziehen würden, um die anderen Inseln zu unterwerfen.
Seit jenen Tagen hatte die Stadt sich arg verändert. Zwar waren die Straßenzüge bereits zu jener Zeit schnurgerade verlaufen, doch damals hatte es anstelle der großen, kalt wirkenden Hallen gemütlich eingerichtete Häuser mit kunstvoll geschnitzten Fassaden gegeben, und im ehemaligen Stadtzentrum, in dem sich nun ein Exerzierplatz befand, hatte sich der große Markt befunden, der ebenso lebendig gewesen war wie der Hauptmarkt von Ilynrah. Der heutigen Stadt konnte man nicht ansehen, dass sie zum Zentrum eines großen, fast alle Inseln umfassenden Reiches geworden war. Sie wirkte ungepflegt und heruntergekommen. Staub wirbelte von den Straßen auf, und von dem einst prächtigen Giringartempel gab es nur noch Reste, so als sei er abgetragen worden, weil man seine Steine anderswo gebraucht hatte.
Anders als Reodhilan und die anderen Runier erinnerte Merala sich gerne an die Stadt, die es hier einmal gegeben hatte, und sie verfluchte den Kaiser, der aus braven, ehrlichen Gurrländern Monster gemacht hatte, die alle Welt das Fürchten lehrten.
Schritte in der Höhle ließen sie aufmerksam werden. Als sie sich umdrehte, sah sie Reodhilan auf sich zukommen. Torrix und die anderen Runi folgten der alten Gelbruni auf dem Fuß.
Reodhilan blieb vor dem Warnartefakt stehen und schüttelteden Kopf, als sie sah, wie Torrix und Merala es ausgeschaltet hatten. »Das habt ihr wirklich auf Menschenart gemacht!« Es hätte spöttisch klingen sollen, doch im Grunde wusste die alte Runi, dass sie und ihre Gefährten erst gar nicht auf den Gedanken gekommen wären, das Ding auf diese Weise zu stören. Sie hätten versucht, das Artefakt mit ihren Kräften auszuschalten und damit erst recht Alarm ausgelöst.
8
Es gab bessere Wege, Gurrland zu du rchqueren, als den, den Meravane gewählt hatte. Allerdings wurden die bequemen Straßen weitaus stärker begangen oder befahren. Hier oben in den Bergen traf die Gruppe zumeist nur auf verlassene Bauernhöfe, deren Bewohner weggeholt worden waren, um auf anderen Inseln als Soldaten oder Beamte eingesetzt zu werden. Nur hie und da wurde ein Gut mehr schlecht als recht von menschlichen Sklaven weitergeführt. Oft trafen sie auf verwildertes Vieh, und gelegentlich sahen sie Gurrländer, die zu alt für den Dienst im Heer oder der kaiserlichen Verwaltung waren und sich auf den kleinen
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