Der Feuerthron
waren oder ob einige von ihnen gerade hinausgetragen wurden. Kaum war ein Teil der Sklaven mit seiner Last davongeeilt, setzte sich die Platte wieder in Bewegung und sank ein Stück tiefer. Erneut wurden Kisten davongetragen. Die Plattform hielt noch mehrmals, dann setzten sich auch die beiden Sklaven in Bewegung, die Meras Kiste trugen, und gingen einen Korridor entlang, der breit und hoch genug war, dass selbst ein mit Pferden bespannter Wagen hätte hindurchfahren können. Große Türen, auf denen Schriftzeichen Auskunft gaben, was darin gelagert wurde, gingen rechts und linksdavon ab, doch die Sklaven liefen weiter. Beinahe am Ende des Ganges blieben sie vor einem Tor stehen.
»Wir haben Fracht, die hier gelagert werden soll«, sagte einer mit leiernder Stimme.
Ein Stab, auf dem ein magisches Auge saß, schoss auf den Sprecher zu. »Fracht! Welche?« Noch während diese Frage schier aus dem Nichts erklang, bewegte sich der Stab, und das Auge fuhr so knapp an Meras Kiste vorbei, dass diese sich drinnen ganz klein machte.
»Was habt ihr denn da? Ach, nur Zeugs aus den Menschenländern! Keine Ahnung, was das hier zu suchen hat. Bringt es herein!«
Mit einem Schlag sprang die Tür auf. Der Stab verschwand wieder, und die Sklaven schleppten die Kisten ins Innere. Mera betete, dass sie die Kiste, in der sie steckte, nicht zwischen anderen einkeilten, denn dann hätte sie keine Möglichkeit, ihr hölzernes Gefängnis zu verlassen.
Das Magazin erwies sich als überraschend leer. Nur an der hinteren Wand standen einige Kästen und Truhen. Die Sklaven stellten ihre Last dazu und verließen den Raum wieder. Gleichzeitig erlosch das Licht der magischen Laternen, welches das Magazin erleuchtet hatte, und Mera fand sich in einer Dunkelheit wieder, die alles einhüllte. Sie konnte ihre eigene Hand erst wieder vor Augen sehen, als diese magisch blau aufleuchteten.
»Vorsicht«, warnte Reodhendhor sie. »Auch wenn dies nur ein zweitrangiges Magazin ist, gibt es hier Warnartefakte. Lass mich erst einmal nachschauen, was dir gefährlich werden kann.«
Mera nickte, obwohl selbst ein Geist die Geste bei dieser Dunkelheit kaum sehen konnte. Die magische Ausstrahlung, die sie damit verursachte, kam bei Reodhendhor an, und er sandte ihr noch ein beruhigendes Signal zu, bevor er verschwand.
6
Reodhilan sah die flache Ostkü ste Gurrlands am Horizont auftauchen und nickte zufrieden. Bis jetzt war alles wie geplant gelaufen. Sie spürte zwar schwarze Schiffe in der Nähe, doch diese griffen nicht an. Stattdessen versuchten sie in ihren Rücken zu gelangen, um ihnen den Fluchtweg abzuschneiden. Das Manöver entlockte ihr nur ein Lächeln, und sie blickte zu Merala hinüber. Sie fühlte sich dieser blauen Hexe auf seltsame Weise verbunden. Wie sie selbst stand Merala im Herbst ihres Lebens, doch bevor sie beide zu ihren Göttern gingen, würden sie noch einmal ihre ganze Kraft einsetzen, um denen, die sie liebten, eine lebenswerte Zukunft zu sichern.
Dann musterte sie Torrix, der als Magier erst die Lebensmitte erreicht hatte. Ihm ging es wohl darum, seinem Rang als Hofmagier von Ilyndhir gerecht zu werden und mitzuhelfen, sein Land zu befreien. Die restlichen Runi, die sie auf diese Fahrt mitgenommen hatte, waren erfahrene Veteranen des Großen Krieges, deren Existenz ebenfalls in absehbarer Zeit erlöschen würde und die all das, für was sie vor tausend Jahren gekämpft hatten, nicht widerstandslos einem bösartigen Feind überlassen wollten. Für ihre Begriffe konnten sie den Weg zu Meandirs Seelendom erst dann mit gutem Gewissen antreten, wenn der Kaiser gestürzt war.
Die einzige jüngere Runi, die mit ihnen fuhr, war Hekerenandil, die von der Sorge um ihre Tochter getrieben wurde. Inzwischen hatten sie von einigen Runi, die mit Sianderilneh die Flüchtlinge gejagt hatten, erfahren, dass die Cousine der Königin und sechs ihrer Begleiter beim Geburtsort der magischen Stürme verloren gegangen waren. Von Hekendialondilan und den Menschenkindern hatten Sianderilnehs Freunde jedoch nichts berichten können. Es war, als hätten sich die jungen Leute in Luft aufgelöst oder wären dem Wüten der Elemente zum Opfer gefallen.
Dies war jedoch nicht der Fall, das zeigte schon der weiß-blau verschlungene Faden, der von Hekerenandils Salasa ausging und nun nach Westen zeigte, genau in die Richtung, in der die Thronhalle des Kaisers stand, wie Reodhilan wusste.
Besorgt wandte sie sich an Merala. »Die Kinder sind weit gekommen!«
Die
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