Der Feuerthron
Mera. Während das Runimädchen ihre Freundin erleichtert in die Arme schloss, entblößte Girdhan sein Gebiss; in dem Dämmerlicht sah er mit seinen gewaltigen unteren Eckzähnen und seiner breiten Gestalt beinahe wie ein richtiger Gurrländer aus.
»Wie soll es jetzt weitergehen?«, fragte er den Runigeist.
»Wenn wir das Artefakt hier ausschalten, können wir die Tür öffnen. Aber dann muss alles sehr schnell gehen. Zuerst holen wir Careela und Argo und dann führe ich euch in den Thronsaal des Kaisers.«
»Und was ist mit Kip?«
»Den haben wir verloren. Vielleicht kann Fleckchen ihn finden.« Mera ärgerte sich, weil sie der Hündin nicht schon drüben den Befehl gegeben hatte, nach Kip zu suchen. Doch sie begriff, dass das Tier es ihr durch Schnüffeln und Kratzen schon kundtun würde, sobald es Kip in einem anderen Raum gewittert hatte.
»Wir müssen ihn finden!« Mera weinte fast. Dabei wusste siegenauso gut wie ihre Freunde, dass sie nicht die Zeit hatten, die Magazine zu durchforsten. Sowie sie dieses Lager verließen, würde es nicht mehr lange dauern, bis Alarm gegeben wurde, und wenn sie dann gefasst wurden, war ihre Mission gescheitert.
Girdhan versuchte Mera zu beruhigen. »Wenn er Glück hat, verschläft Kip die ganze Angelegenheit und wacht erst wieder auf, wenn wir den Kaiser erledigt haben!«
»Aber wenn wir keinen Erfolg haben, bleibt er im magischen Schlaf, bis er tot ist!«, fauchte Mera ihren Freund an, obwohl sie wusste, dass Girdhan wirklich nichts für die Situation konnte. Zum Glück verzichtete der Junge auf jeden Kommentar, sonst wäre sie laut geworden.
Reodhendhor wies auf die Tür. »Seid doch still! Jetzt hat das Artefakt bemerkt, dass nicht alles stimmt. Gleich gibt es Alarm!«
In dem Augenblick schoss ein winziger weißer Strahl aus Hekendialondilans Händen, und alle konnten den schwarzen Kristall knacken hören. »Jetzt ist es defekt. Das gibt uns einen gewissen Vorsprung!«, sagte die Runi.
Reodhendhor sog scharf die Luft ein. »Aber keinen großen! Kommt, schnell! Oder wollt ihr warten, bis die Gurrländer kommen, um nachzusehen, warum ihr Artefakt ausgefallen ist?«
Mera stieß die Luft aus, die sie angehalten hatte, und ließ die Schultern sinken. Sie waren hierhergekommen, um eine große Aufgabe zu erfüllen, und nun würde es ein Wettlauf mit der Zeit werden. Da sie aber nicht wollte, dass Kip für immer schlief, sandte sie den Befehl aus, der ihn aufwecken würde, wenn er sich nicht allzu weit entfernt befand. Dann eilte sie zur Tür.
Reodhendhor war schneller als sie. »Lass Girdhan vorangehen. Ihn wird man auf den ersten Blick für einen jungen Gurrländer halten. Hast du deinen Bogen dabei und Girdhan sein Schwert?«
»Das muss ich holen!« Girdhan eilte zu der Kiste zurück, in der er gesteckt hatte, und zog das lange Schwert heraus. Mera wollte ebenfalls sagen, dass sie den Bogen vergessen hatte, doch da zerrteTimpo an einem Gurt, den sie wie eine Schärpe über der Schulter trug. Als sie daran zog, kamen der Köcher und der Runibogen zum Vorschein. In ihrem jetzigen Zustand waren die Teile nicht größer als Spielzeug, nahmen aber auf ihren Befehl hin wieder ihre ursprüngliche Größe an, und der Bogen spannte sich von selbst.
»Ab jetzt müssen wir damit rechnen, auf Feinde zu stoßen. Ihr müsst sofort die Waffen einsetzen, verstanden? Es gilt nun: die oder ihr!«
Reodhendhor überlegte noch, ob er Mera bitten sollte, den Bogen und die Pfeile an Hekendialondilan weiterzureichen, die besser damit umzugehen wusste. Doch die junge Runi hielt schon ihren eigenen Dolch bereit. Dessen Kristallklinge gleißte von innen in weißem Licht und stellte in ihrer Hand eine starke Waffe dar. Der Runigeist drang durch die Tür, um nachzusehen, ob jemand im Gang war, und kehrte sofort wieder zu den Kindern zurück.
»Die Luft ist sauber, wie ihr zu sagen pflegt.«
»Du meinst: Sie ist rein«, korrigierte Girdhan ihn.
Der Geist ging mit einer Handbewegung über diesen Einwand hinweg. »Ob sauber oder rein, die Hauptsache ist, dass niemand draußen steht, der euch abfangen kann. Girdhan, gib du den Befehl zum Öffnen!«
»Gibt es auf dem Korridor denn keine Wachartefakte?«, fragte Hekendialondilan.
»Doch! Aber die solltest du genauso ausschalten wie das erste eben, damit sie uns nicht erfassen. Ich mache dich früh genug darauf aufmerksam. Das wird zwar bald auffallen, aber bis jemand nachsehen kommt, müssten wir schon in der großen Halle sein. Und jetzt
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