Der Feuerthron
Kristalldom des Kaisers gebracht werden konnte.
Als sie aufspringen wollte, hielt Reodhilan sie fest. »Bleib hier! So läufst du nur dem Feind in die Arme. Ich kenne einen besseren Weg hinein.« Sie zog die widerstrebende Hexe mit sich und führte ihren Trupp auf verschlungenen Wegen talwärts, bis sie eine kleine Höhle erreichten, die sich nach wenigen Manneslängen so verengte, dass man gerade noch die Faust durch den sich verjüngenden Spalt stecken konnte.
Torrix, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte, trat an Reodhilans Seite und wies auf die schmale Öffnung. »Hier willst du hindurch? Das ist doch ein Witz!«
»Wenn du meinst.« Die Runi nickte einem ihrer Begleiter zu. Der streckte seinen Arm in das Loch und wurde langsam hineingezogen. Merala und Torrix bekamen nicht mit, auf welche Weise dies geschah. Ihnen wurde jedoch bei dem Gedanken, dasselbe tun zu müssen, flau im Magen.
Ein Runi nach dem anderen verschwand nun im Fels, und jeder Durchgang benötigte viel Zeit – beinahe zu viel für Meralas Ängste. Die alte Hexe kämpfte gegen die Bilder an, die in ihr aufstiegen. Sicher war ihre Tochter inzwischen schon vor den Herrn des Feuerthrons gebracht worden und wurde von ihm gequält und von seiner widerwärtigen Magie vergiftet. Reodhilan ließ sich jedoch nicht von ihr aus der Ruhe bringen. Sie wartete, bis außer ihr und Hekerenandil nur noch die beiden Blauen vor der Öffnung standen, dann fasste sie Merala mit einem schmerzhaft harten Griff, während ihre jüngere Gefährtin Torrix mit den Armen umschloss.
»Ihr müsst euren Geist völlig in sich ruhen und eure Magie ganz in euch selbst kreisen lassen, sonst brecht ihr den Zauber, und das wäre für euch wie auch für uns verhängnisvoll. Es sei denn, ihr wollt in den Stein eingebacken werden und so auf das Ende aller Zeiten warten.« Reodhilans Worte klangen spöttisch, aber Meralaund Torrix begriffen, welches Schicksal sie erwarten würde, wenn sie einen Fehler machten.
Die eigenen Gedanken zu klären und sich zu entspannen, bis man eins war mit der Magie, die einen umfloss, gehörte zu den wichtigsten Übungen, die ein Adept oder eine Junghexe lernen musste. Merala und Torrix hatten dies auch später oft genug getan, um sich auf stärkere Zauber vorzubereiten. Jetzt machte es ihnen jedoch ungewohnt große Mühe, ihre aufgeputschten Sinne zu beruhigen.
Hekerenandil war schon halb in der Öffnung verschwunden, bis Torrix sich endlich genügend unter Kontrolle hatte, um nicht unwillkürlich gegen den Fels zu prallen, der ihn in sich hineinzog. Der Magier zwang sich, an nichts mehr zu denken, und schaffte es sogar, sich in einen tranceähnlichen Schlaf zu versenken, aus dem er erst wieder erwachte, als er den Schmerz einer heftigen Ohrfeige verspürte. Er riss die Augen auf und sah Merala vor sich, die eben zum zweiten Schlag ausholte.
»He, ist ja schon gut!« Er erhob sich, klopfte sein Gewand aus und sah sich um.
Sie standen in einem langen Felsengang, durch den ein starker Luftzug fegte.
»Das ist einer der Abluftschächte des schwarzen Palastes. Vor tausend Jahren wollten wir auf diese Weise in Wassurams Festung eindringen, doch dann hat unser Arghanfreund das Tor mit seinen Flammen zerstört, und wir brauchten den Weg nicht mehr, den wir damals angelegt haben. Nun aber müssen wir ihn beschreiten. Passt auf! Hier dürfte es Fallen geben. Die müssen wir ausfindig machen, ehe sie ihre Wirkung entfalten können. Das ist Meralas Aufgabe. Sie ist eine gute Vorherseherin.«
»Das war ich einmal, doch jetzt ...« Merala brach ab, denn sie spürte Kräfte in sich, die sie seit Jahrzehnten verloren zu haben glaubte. Sie schloss die Augen und »sah« nur noch mit ihren magischen Sinnen. Innerhalb weniger Augenblicke entdeckte sie das erste Warnartefakt.
Nun wurden Torrix’ Fähigkeiten benötigt. Die Unsicherheit, die ihn bis jetzt gequält hatte, verschwand, als er das Artefakt mit etwas Silbergeflecht und Meralas Kleber erblinden ließ. Reodhilan lächelte ihm anerkennend zu, dann legte sie den Arm um Merala und führte sie weiter in den Gang hinein.
15
Als die Nachricht kam, seine Männer hätten die Eindringlinge nahe der Hauptstadt aufgegriffen, entspannten sich die Gedanken des Kaisers wieder. Er streifte die Gefangenen mit seinem magischen Blick, spürte an einer Hexe jenes Blau, das er bereits auf dem Meer bemerkt zu haben glaubte, und befahl dem Offizier, die Leute zu ihm zu bringen. Der Gedanke, es könnte sich um ganz
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