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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Während Girdhan erleichtert aufatmete, spähte Mera angestrengt nach vorne. Die Lichter der Hauptstadt waren bereits zu erkennen, doch sie fürchtete weniger die Wachfeuer am Ufer, als vielmehr die unsichtbare Hand, die mit einem Mal über das Wasser strich und so schnell näher kam wie ein galoppierendes Pferd.
    »Los, tauchen!«, flüsterte Mera Girdhan zu und ließ sich in die Tiefe sinken. Zeit, nachzusehen, ob ihr Freund ihr folgte, hatte sie nicht mehr. Dann fiel ihr siedend heiß ein, dass Timpo ja noch oben in seinem Beutel hing: Da hörte sie ein leichtes Klatschen und spürte gleichzeitig die Krallen des Kleinen, der sich an ihrem Gesicht festklammerte. Es tat weh, aber dennoch hätte sie das Pelzknäuel am liebsten geküsst. Timpo musste ebenfalls begriffen haben, dass die Hexe der Königin auf ihre Weise nach ihnen suchte. Wie Mera schon befürchtet hatte, war ihr der magisch schimmernde Ast aufgefallen.
    Für eine schier endlose Zeit spürte Mera die Anwesenheit einer fremden Kraft, die verwirrt, aber auch angespannt über den Ast strich und dabei die Wasseroberfläche absuchte. Sie merkte, dass ihre Kräfte schwanden, während ihre Lungen nach frischer Luftgierten. Im letzten Augenblick verschwand die magische Hand, und Mera zog sich hoch. Doch ehe sie die Oberfläche erreichte, riss Girdhan sie wieder nach unten und hielt sie unter Wasser fest. Fast gleichzeitig kehrte die fremde Kraft zurück und stürzte sich erneut auf den Ast.
    Das Letzte, was Mera mitbekam, war die Wut und die Enttäuschung der Hexe, die gehofft hatte, die Flüchtlinge überlisten zu können, dann wurde es schwarz um sie. Als sie wieder zu sich kam, hing sie bäuchlings in den Zweigen des Astes und spuckte Wasser. Girdhan hielt sie fest und blickte sie besorgt an.
    »Danke! Allein hätte ich es nicht mehr geschafft!«, flüsterte sie, nachdem sie eine Menge Wasser ausgewürgt hatte.
    »Es ist gar nicht so übel, ein halber Gurrländer zu sein. Ich halte mehr aus als andere Leute.« Girdhan grinste erleichtert und zeigte dann auf eine Biegung, an der etliche Boote sichtbar wurden, auf denen Fackeln brannten und die gesamte Breite des Flusses erhellten. »Unter denen können wir nicht hinwegtauchen.«
    »Besonders wegen der Hexe nicht. Ich spüre, dass sie dort auf uns lauert.«
    »Also sollten wir an Land gehen und den Rest zu Fuß zurücklegen«, antwortete Girdhan, der seinen Hang zur Ängstlichkeit offensichtlich überwunden hatte.
    Mera nickte, denn ihr graute davor, noch ein zweites Mal so lange tauchen zu müssen.
12
    S ie sahen schon die Wehranlagen der Hauptstadt vor sich, als der Ast sich sanft an das gegenüberliegende Ufer schmiegte, so dass sie mühelos an Land kriechen konnten. Girdhan schob Mera die Uferböschung hinauf und drückte ihr den Beutel mit Timpo in die Hände.
    »Geht es?«, fragte er leise.
    Sie nickte, sagte aber auch »Ja!«, weil sie nicht sicher war, ob er ihre Geste hatte erkennen können.
    »Wir müssen weiter weg vom Fluss, sonst erwischen sie uns noch. Eines der Boote kommt schon näher.«
    »Es ist das mit der Hexe. Sie weiß nun, dass wir den Wald verlassen haben, und glaubt, uns hier erwischen zu können. Ich vermute, sie fühlt meine Nähe.« Mera war nicht klar, woher sie das wusste, doch als sie zum Boot hinüberschaute, sah sie am Bug eine Frau in einem langen Kleid und mit einem wehenden Umhang stehen, deren Augen wie kleine, blaue Flammen leuchteten.
    »Komm!« Mera kroch hastig das Ufer hoch und blieb dort liegen, bis Girdhan nachkam. Die beiden mussten etliche Schritte weit auf allen vieren kriechen, bevor sie gebückt weitergehen konnten. Der Fluss mit den Suchbooten blieb bald hinter ihnen zurück, und damit auch die größte Gefahr. Kurz darauf entdeckten sie, dass rund um die Fischervorstadt Wachfeuer brannten, und sie umgingen diesen Ring in weitem Bogen. Dabei mussten sie immer wieder Männern ausweichen, die das Land mit Hunden absuchten.
    Doch in dieser Gegend, in der sie als Kinder gespielt hatten, waren sie den Erwachsenen überlegen. Die Männer hatten die Schleichwege ihrer Jugend längst vergessen und konnten sich auch nicht vorstellen, dass jemand nur wenige Schritte von ihnen entfernt vorbeihuschen und dabei so leise wie eine Schlange sein konnte.
    Zu Meras Erleichterung schienen die Spürhunde sie nicht zu wittern, denn keiner schlug an. Sie atmete schon auf, da tauchte ein gefleckter Hund direkt vor ihr auf und zeigte knurrend sein Gebiss. »Gleich wird er bellen, und

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